Kaum Erklärungen: Die Dokumentation “Die singende Stadt“ über eine “Parsifal“-Inszenierung lässt Wagner-Unkundige ziemlich allein.
Zuerst hat jemand eine Idee. Dann trifft er einen, der sie gut findet. Zwischendurch, bis sich am Ende der Vorhang hebt, kann im Idealfall viel gelingen - oder aber rasant schiefgehen.
Eine Oper zu inszenieren ist nichts für Künstler mit schwachen Nerven. Erst recht nicht, wenn es sich, wie beim Studienobjekt des Dokumentarfilmers Vadim Jendreyko, um Wagners weiheprallen "Parsifal" handelt. Ein Jahr lang ist Jendreyko stummer, beobachtender Gast hinter den Kulissen des Stuttgarter Opernhauses gewesen, um zu beobachten, wie sich aus Einzelteilen eine Produktion zusammenfügt.
Formal lag die Regie des Stücks, das im Frühjahr 2010 Premiere hatte, in den Händen des Katalanen Calixto Bieito, der für radikale Umdeutungen klassischer Opernstoffe bekannt ist (und bei vielen berüchtigt). Doch je umfangreicher die Einblicke hinter die Kulissen, in die Werkstätten und Probenräume werden, desto klarer wird, dass das Haus selbst viele der Spielregeln bestimmt. Während Bieito oft ziemlich ratlos aus der Wäsche schaut und sich von seinem Dramaturgen erklären lässt, worum es denn wohl gehen könnte, fertigen die Experten als Präzisionshandwerker alles andere.
Schade nur, dass dieser Film Wagner-Unkundige ziemlich alleinlässt mit den vielen Andeutungen, Anweisungen und Absichten. Nichts und niemand wird erklärt, nichts und niemand sagt, warum er etwas tut oder wie es ihm dabei geht. Jendreykos Blick ist lediglich der eines Protokollführers. Schade, sehr schade, denn ein Opernführer, der nicht führt, führt in die Irre. Die Magie des Stücks und der Musik machen sich erst gegen Ende des Films bemerkbar, beim ersten Bühnendurchlauf, der eine apokalyptische Ödnis zeigt, auf der nicht einmal stört, dass Choristen leise glucksend auf dem Bühnenboden liegen, während die Regie noch ums größere Ganze ringt. Ein tolles Thema wäre dieses "Making-of" gewesen, ein dicker Köder, um als Neuling opernsüchtig zu werden. So jedoch ist es vor allem eine vertane Chance.
+++-- Die singende Stadt Deutschland 2010, 92 Minuten, ohne Altersbeschränkung, R: Vadim Jendreyko, im Abaton; Internet: www.realfictionfilme.de/filme/die-singende-stadt
(jomi)