Sergio Bizzios Stille Wut behandelt gefährliche Obsessionen

"Meine Literatur hat sehr viel Humor. Trotzdem ist sie auch tragisch", sagt der argentinische Autor Sergio Bizzio über seine Werke. Der 54-Jährige leuchtet tiefe seelische Abgründe aus und legt den Blick auf gefährliche Obsessionen frei. In Argentinien wurde der Roman als "perfekt" bezeichnet.

Im Mittelpunkt seines spannend gebauten Romans "Stille Wut" stehen der Bauarbeiter José Maria und die Putzfrau Rosa. Zunächst treffen sich die beiden in heruntergekommenen Hotels, dann - entgegen allen Verboten - an Rosas Arbeitsplatz, in der riesigen Villa ihrer im Urlaub weilenden Arbeitgeber. "Noch nie hatte er diese Mischung aus glühender Leidenschaft und Unschuld erlebt, wie Rosa sie an den Tag legte", bekundet der 15 Jahre ältere José Maria über seine Geliebte.

Als das steinreiche Ehepaar Blinder früher als erwartet zurückkehrt, versteckt sich José Maria in einem der weitläufigen Obergeschosse, während ihn Rosa außerhalb des Hauses wähnt. Ein gutes Versteck hat er auch nötig, denn bei einer Auseinandersetzung mit seinem Chef, der ihn lange Zeit schikanierte und dann entließ, hatte er seinen Vorgesetzten umgebracht.

Engel und Teufel stecken also gleichermaßen in dieser höchst ambivalenten Figur, wie auch Rosa bald erfahren wird. Reue ob seiner Tat zeigt der Bauarbeiter nicht, eher eine erschütternde Gleichgültigkeit. Irgendwann macht die Schattenexistenz, die der Protagonist in der Villa führt, aus dem glühenden Liebhaber einen rücksichtslosen Tyrannen. Soweit es ihm möglich ist, beobachtet er Rosa bei ihrer Arbeit auf Schritt und Tritt und wird dabei Zeuge einer brutalen Vergewaltigung. Der alkoholkranke Sohn der Blinders fällt über Rosa her und wird danach seinerseits Opfer von José Marias unbarmherziger Rache: "Er verspürte weder Gewissensbisse noch Erleichterung."

Sergio Bizzio begann seine Karriere als Drehbuchautor und Filmregisseur und arbeitet seit Ende der 80er-Jahre auch als Schriftsteller. Sein Roman "Stille Wut" wurde mehrfach ausgezeichnet und machte den Autor international bekannt. Der Roman wurde vom ecuadorianischen Regisseur Sebastian Cordero verfilmt

Sergio Bizzio erzählt dieses tragische literarische Kammerspiel mit großem Tempo in einer knappen, bisweilen in der Übersetzung ziemlich hemdsärmelig klingenden Sprache. Als Leser durchlebt man eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Und man schämt sich am Ende sogar ein wenig, dass man Sympathie für einen Mörder empfunden hat. Auch eine Form der "stillen Wut".

Sergio Bizzio: "Stille Wut". Deutsche Verlags-Anstalt, 238 Seiten, 19,90 Euro