Fachleute diskutieren über Boom und Krise der Museen

Hamburg. "Es gibt gerade in Deutschland zu viele Museen und zu wenig Geld", hatte der Maler Gerhard Richter vor einem halben Jahr im Interview gesagt und damit indirekt das Thema für den Kulturdiskurs gesetzt, zu dem der NDR und die "Zeit"-Stiftung ins Bucerius-Kunst-Forum - und damit in unmittelbarer Nähe zur aktuellen Gerhard-Richter-Ausstellung - geladen hatten. Aber die Frage "Haben wir zu viele Museen?" mochte niemand bejahen, weder Stephan Berg, der Intendant des Kunstmuseums Bonn, noch der langjährige "FAZ"-Redakteur Hennig Ritter und auch nicht Martin Roth, der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.

Ritter stellte eingangs fest, dass sich die zeitgenössische Kunst so schnell und ohne Widerstände behauptet habe wie in keiner Epoche zuvor - obwohl sie nicht mehr historisch verankert, sondern allein auf den Markt bezogen sei. Davon gehe ein enormer Druck auf das von einem Bildungsbewusstsein getragene historische Museums- und Sammlungskonzept aus.

Einigkeit herrschte darüber, dass die Museen inzwischen immer stärker als Teil der Freizeit- und Eventkultur wahrgenommen würden. Berg räumte ein, dass viele Museen den Erwartungen der Öffentlichkeit durch Blockbuster-Ausstellungen gerecht zu werden versuchten, die kaum etwas mit Profil und Geschichte der eigenen Häuser zu tun hätten.

Martin Roth sprach einerseits von einem "vergifteten Museumsboom", da er nicht mehr viel mit den Fundamenten der Museumsarbeit zu tun habe, beurteilte andererseits das in den vergangene Jahrzehnten so stark gewachsene Interesse an Museen aber auch positiv: nämlich als "Bekenntnis zur Geschichte und zum intellektuellen Diskurs". Roth, der einen der drei großen deutschen Kunstsammlungen leitet, hält die Sammlung für das Entscheidende. Hier zeigt sich freilich das Selbstverständnis eines Museumschefs, dem eine in mehr als 500 Jahren gewachsene Sammlung mit Schätzen der Weltkultur anvertraut ist. Besucherrückgang? Für Roth kein Thema, immerhin verzeichnete Dresden 2010 insgesamt 2,6 Millionen Gäste, so viele wie noch nie. Trotzdem hält er es für wichtig, die Politiker davon zu überzeugen, dass Museen finanziell so ausgestattet werden, dass sie ihrem Bildungsauftrag auch künftig gerecht werden können.

Die Veranstaltung wird am 13. Februar um 20 Uhr vom Radiosender NDR Kultur ausgestrahlt.