Der Katastrophenfilm hat eigentlich nichts zu erzählen - das macht er aber gut. Am Sonntag sendet RTL Teil eins, am Montag folgt der zweite.

Köln. Wer neue Wege gehen will im Katastrophenfilm und dem oberflächlichen Genre Tiefe geben möchte, wer also nicht bloß "eine tolle Explosion umfilmt", wie Produzent Sascha Schwingel beteuert, der täte gut daran, den Fernsehabsturz der "Hindenburg" nicht mit einer tollen Explosion einzuführen. Zu blöd, dass RTL nicht aus seiner Haut kann.

Also fliegen im teuersten Film des Senders gleich zu Beginn die Fetzen: Ein Zeppelin im freien Fall, die Insassen in Panik, das erste Großunglück der zivilen Luftfahrt in Zeitlupe - für zehn Millionen Euro lässt RTL von der ersten Sekunde an keine Zweifel, welcher Kanal da läuft. Trotzdem täte man dem Zweiteiler Unrecht, ihn aufs Flammenmeer zu reduzieren. "Hindenburg" mag ein Event-Movie in bester Kommerz-Manier sein - es hat seine Stärken. Man muss sie nur länger suchen als beim Oscar-prämierten Vorbild von 1975. Gut doppelt so lang ist es her, dass LZ 129 mit 623 000 Kubikmeter Wasserstoff, aber nur 97 Passagieren an Bord im Gewitter über Lakehurst im US-Bundesstaat New Jersey explodierte. Viel mehr ist nicht überliefert von der letzen großen Fahrt dieser Baureihe, geschweige denn erzählenswert. Um das Geschehen dennoch auf Filmlänge zu strecken, musste also eine Story her, die Johannes W. Betz und Martin Pristl geschrieben haben.

Weil der Konstrukteur Merten Krüger (Maximilian Simonischek) von einer Bombe im Zeppelin erfährt, kämpft er gegen Geschäftemacher, die einen Absturz für den Umstieg vom gefährlichen Wasserstoff auf harmloses Helium nutzen wollen, aber auch um die Liebe zur Unternehmertochter Jennifer van Zandt (Lauren Lee Smith), deren Vater in das Komplott verstrickt ist. Wie in Robert Wises Version von 1975 geht es also um dreierlei: Verschwörung, Effekte und Randgeschichten. Diesmal: drei flüchtende Juden, zwei Lovestorys und ein Hund, der den Hitlergruß kann.

Das alles in den üblichen Besetzungen: attraktive wie Simonischek als unverwundbarer Held; noch schönere wie Smith als seine Angebetete; eher sinnlose wie Hannes Jaenicke als Gaukler; sehr irreale wie Wotan Wilke Möhring als Naziflieger; dazu prominente wie Stacy Keach als Öl-Multi, etwas vorlaute wie Marvin Bockers als pfiffige Göre oder Ulrich Noethen als Fiesling. Besetzungen also, die nach optischen, nie dramaturgischen Kriterien erfolgt sind.

Dass es trotzdem ein ansehnlicher Film wurde, liegt an David Slama. Während die Handlung einzig der Zuspitzung aufs Endfeuerwerk dient, kontert der versierte Kameramann das holzschnittartige Drehbuch mit ansprechenden Bildern. Seelenruhig gleitet der 61-Jährige durch die Luftschifffluchten. Endlose Gänge werden in konzentrierter Fahrt vermessen. Im Art déco erhält der Film zudem fast kammerspielartige Momente.

So ergibt sich ein ungewohntes Fazit: Der junge Regisseur Philipp Kadelbach, sonst eher als Werbefilmer bekannt, hat RTL im Auftrag der Großfilmschmiede teamWorx einen Blockbuster gebastelt, der seine Geschichte nicht durch zappelige Schnitte, Kaugummilook und klanglichen Kleister versaut, sondern eine müde Story umgekehrt durchs Äußerliche erst erträglich macht. Die Hauptdarsteller heißen: visuelle Effekte, kurz VFX. Denn so wie Charaktere und Inhalt weitestgehend erfunden sind, entstand auch das Luftschiff - mit 246,7 Metern länger als die "Titanic" - am Rechner. 230 Einstellungen sind digital erzeugt, die Kabinen im Vergleich zum Original riesig, das ganze Innenleben überhaupt zu geräumig.

Die Welt, so hat sich RTL wohl gedacht, will keinen Realismus, sie will großes, sauberes Entertainment. Wer von der Gestapo stundenlang gefoltert wird, wäscht sich wie der Held des Films seine Wunden mit Wasser ab, als hätte er sich beim Rasieren geschnitten. Zudem wurde der Film auf Englisch gedreht, soll er doch die Massengeschmäcker ganz Europas, der USA, ja sogar Japans treffen. Der Explosionseinstieg mag Ästheten da vergrätzen; den Quoten wird er dienlich sein. Auch neue Wege haben ihre Grenzen.

Hindenburg So/Mo RTL 20.15 Uhr