Unfassbar gut: Mariss Jansons und das Concertgebouw Orkest

Hamburg. Erst am Ende des Abends war Mariss Jansons anzusehen, dass die Verfertigung von Glück offenbar doch auch mit Arbeit verbunden ist. Da klebten ihm die Haare im Nacken, und aus seinem strahlenden Blick ins begeistert applaudierende Publikum war auch Erschöpfung abzulesen, eine Erschöpfung, die er wohl selbst oft erst sehr spät wahrnimmt, weil er während des Musizierens die Anstrengung gar nicht bemerkt. Jansons gab mit seinem Königlichen Concertgebouw Orchester Amsterdam am Sonntag in der nahezu ausverkauften Laeiszhalle ein Konzert, das lange in Erinnerung bleiben wird. Denn es beschenkte das in dieser Saison mit Spitzenorchestern wahrlich verwöhnte Hamburger Publikum mit dem Glück der Vollendung.

Schon die Ouvertüre zu Rossinis "L'Italiana in Algeri" war ein Fest kollektiver Präzision und verblüffender Gelassenheit. Denn Jansons, der den Taktstock in einer komplett intuitiv wirkenden Choreografie immer wieder von der stabführenden rechten in die linke Hand wandern ließ, wo er nichts zu tun hatte, weil dann die Finger der Rechten die Führung übernahmen, ist alles andere als ein Dompteur. Ekstatischer Zuhörer und Beseeler, gibt er augenscheinlich jedem Musiker unablässig das Gefühl, dass es auf ihn ganz besonders ankommt. Bei Wagners Vorspiel und Liebestod aus "Tristan und Isolde", dieser gigantischen Meditation über einen genialen Akkord, setzte das Orchester in allen Disziplinen den Maßstab: Intonation, Artikulation, Zusammenspiel, Dynamik, Atem - das war einfach unfassbar gut gespielt.

Wie man in dieser Liga auch nach Generalpausen absolut synchron prächtige Feuerwerkskörper aus Klang zündet, war in der "Rosenkavalier-Suite" von Richard Strauss zu bestaunen. Die darin enthaltenen Walzer spielten die Musiker mit Sinn für Ironie, in der idealen Mitte zwischen duftig und deftig. Leif Ove Andsnes' Interpretation von Mozarts c-Moll-Klavierkonzert war anzuhören, dass er vor dieser Musik einen Heidenrespekt hat. Sein Spiel war nüchtern und anmutig - und blieb noch diesseits vollendeten Glücks.