Der Regisseur und Schauspieler bringt Daniel Kehlmanns Erfolgsroman “Die Vermessung der Welt“ am 6. Februar auf die Bühne nach Hamburg.

Altonaer Theater. Der eine befährt als Forschungsreisender den Amazonas. Der andere erkundet den Kosmos der Zahlen. Daniel Kehlmann konfrontierte vor sechs Jahren in seinem Buch "Die Vermessung der Welt" das theoretisierende Mathematikgenie Carl Friedrich Gauß (1777-1855) mit dem empirischen Globetrotter Alexander von Humboldt (1769-1859).

Für den Schauspieler und Regisseur Christian Nickel, der Dirk Englers Bühnenfassung des Romans am Altonaer Theater inszeniert, sind die beiden ungleichen, sich aber in ihrem wissensdurstigen Globaldenken auch ähnlichen Männer zwei typisch deutsche Charaktere. "Gauß ist eine faustische Figur", sagt der intellektuelle, seines Auftretens sehr bewusste Bühnenkünstler. Er selbst hat mit Anfang dreißig den alten und jungen "Faust" in Peter Steins Zwölfstunden-Goethe-Projekt bei der Expo 2000 in Hannover gespielt und viel Lob bekommen.

Auch das war ein Motiv für Nickels Wagnis, das sprachlich raffinierte, mit der Form des historischen Romans spielende Buch für das Theater zu adaptieren. "Ich mag und schätze das Buch sehr", sagt Nickel. "Allerdings habe ich geahnt, dass es schwierig ist, Bücher, und gerade ein so erfolgreiches Buch wie dieses, zu dramatisieren." Noch dazu eines, dessen Dialoge in indirekter Rede dafür ungeeignet scheinen. Eine Aufführung könne und wolle das Buch ohnehin nicht ersetzen. "Das wäre ja lächerlich, das geht auch mit den 'Buddenbrooks' nicht. Man kann nur anknüpfen und vielleicht - um sich dem hybriden Punkt zu nähern - einen Extrakt herausholen, in dem man manches noch deutlicher machen kann."

Doch mit der feinen Ironie des Textes könne der Regisseur auf der Bühne allein nicht arbeiten. "Das Theater erfordert etwas derbere Mittel", meint Nickel, stellt lächelnd aber klar: "Obwohl meine Wünsche sonst eher nicht in diese Richtung gehen." Das Buch arbeite ständig mit dem Konjunktiv, auf der Bühne müsse man sich aber bekennen und etwas wollen - "wie ja der Schauspieler auch behauptet, dass er Gauß ist oder eine andere Figur. Da ist die Wirklichkeitsform gefordert." Die Spielfassung des Romans sei kein Stück im eigentlichen Sinn. "Das mussten wir in der Probenarbeit erfinden und spielerisch mit dem Text umgehen wie Kinder." Für Nickel eine besondere Herausforderung. Der totale Gegensatz etwa zu Lessings Drama "Emilia Galotti", mit dem der Schauspieler 2003 in Stuttgart sein Regiedebüt gegeben hat: "Dieses Stück ist dramaturgisch so glänzend gebaut, dass man es nur präzise lesen muss. Man wird als Regisseur vom Autor geführt."

Nach Engagements in München und am Wiener Burgtheater wollte er frei arbeiten und hat in seiner Heimatstadt Hamburg an den Kammerspielen "Zeit der Zärtlichkeit" inszeniert. Nickel spielte und lernte bei Regisseuren wie Peter Stein, Luc Bondy, Jan Bosse und Karin Beier. "Ich habe oft vermisst, die Reise am Ursprung zu beginnen und mich auf die Suche danach zu begeben, wie man Geschichten erzählt", sagt er, "als Schauspieler ist man an Entscheidungen über Besetzung, Bühne und Inszenierung nicht wirklich beteiligt. Man springt auf einen fahrenden Zug."

Ursprünglich wollte Nickel nicht zum Theater. Er studierte in Hamburg kurz Medizin, leistete im Tabea-Krankenhaus in Blankenese seinen Zivildienst und machte - wie er betont - als Pfleger für ihn wichtige Erfahrungen mit Krankheit und Tod. Nun, Anfang vierzig, noch immer ein attraktiver Lockenkopf, doch dem romantischen Jüngling Romeo entwachsen, inszeniert er Shakespeares Liebesdrama demnächst in Karlsruhe. Und spielt die Ärzte oder auch einen Sterbenden, wie derzeit am Münchner Residenztheater Stephan von Sala in Arthur Schnitzlers "Der einsame Weg".

Den Wechsel von der Bühne ans Regiepult vor der Bühne genießt Christian Nickel. "Ich gehöre nicht zu den Schauspielern, die unruhig werden, wenn sie nicht täglich auftreten können", sagt er Als Regisseur spielt er auch den Kollegen nicht ständig etwas vor. Er lässt sie machen, hört zu, beobachtet genau, korrigiert eine Haltung oder das Tempo, lebt aber mit ihnen förmlich mit. "Wir versuchen, den Roman-Figuren und Englers Spielfassung Leben einzuhauchen und etwas mehr Blut zu geben." Wie im Buch bereits angelegt, benutzt der Regisseur die Erzählebene, zeigt die Szenen anekdotisch, schlaglichtartig und komödiantisch. Nickel ist gespannt: "Ich hoffe, dass sich das Mosaik schließlich zu einem ganzen Bild fügt."

Die Vermessung der Welt So 6.2., 19.00, Altonaer Theater (S Altona), Museumstraße 17, Premiere ausverkauft; Karten von 9,- bis 29,-, T. 39 90 58 70; www.altonaer-theater.de