Die Dokumentation “Die singende Stadt“ über eine “Parsifal“-Inszenierung hat am Sonntag im Abaton Premiere

Abaton. Jede Opern-Premiere ist immer nur die Spitze eines riesigen Fleißbergs. Unterhalb dieser Abendstunden mit ihrer neugierigen Aufregung im Saal, mit der Lust am hoffentlich Neuen und der Verärgerung über wieder einmal Misslungenes, findet ein Geburtsprozess statt, der immer irre lang ist. Und oft schmerzhaft.

Für seinen Dokumentarfilm "Die singende Stadt" war Vadim Jendreyko gut ein Jahr lang Beobachter in der Stuttgarter Oper. Bei Wagners "Parsifal" sollte der als Regie-Berserker bekannte Calixto Bieito für radikal neue Einsichten sorgen. Die Kamera ist von Anfang an dabei, von der ersten erwartungsfroh optimistischen Begegnung des Ensembles mit dem Regie-Team bis zur Premiere im März 2010. Eine Riesenchance, um mitzuerleben, was so alles klappen oder schiefgehen kann.

Zunächst lässt sich das Making-of-Porträt auch ganz passabel an. Man ahnt, dass bei dieser Produktion sehr ungleiche Charaktere aufeinander geworfen und angewiesen sind. Hier ein Regisseur, der vor allem lethargisch auf überfällige Eingebungen von irgendwoher zu warten scheint. Da der Dramaturg, der dramatisch besser im Thema ist als sein Vorgesetzter, über den an einer Stelle geraunt wird: "Anscheinend plant er ..." Dort eine Kostümbildnerin, die entweder an der praktischen Umsetzung ihrer eigenen Ideen verzweifelt - wie soll man in einem ABC-Schutzanzug singen? - oder an den organisatorischen Gegebenheiten des Hauses.

Man sieht viel zu viel davon, wie der Amerikaner Gregg Baker als Amfortas sich beim Sprachunterricht mit dem Wort "unenthüllt" abmühen darf. Es gibt liebevoll gefilmte Einblicke in die Werkstätten, in den Bauch des Molochs Opernhaus, wo schwäbische Handwerker emsig klöppeln, nähen, schmieden, pinseln oder einen Flammenwerfer bauen. Staatstheater-Qualitätsarbeit ist das, liebevoll ausgeführt, bis zum Anfertigen der Haarteile. Jeder Handgriff sitzt, Spezialisten kann so schnell nichts aus ihrer Ruhe bringen.

Hübsche Kräche hinter den Kulissen sind ebenfalls dabei: Pikierte Choristinnen verweigern sich dem nur mühsam erklärten Regie-Einfall, textilfrei in Frischhaltefolie gewickelt auftreten zu sollen. Ständig verschärft sich der Eindruck, dass Bieitos Inszenierungskonzept und die eher konservativen musikalischen Vorstellungen von Dirigent Manfred Honeck wie zwei Parallelwelten aneinander vorbeigleiten. Doch je näher der Premieren-Abend kommt, desto mehr enttäuscht die gute Absicht des Filmemachers: Sinn und Zweck von "Parsifal" bleiben unerklärt. Man erfährt nie, wer welche Partie singt - oder warum. Persönliche Aussagen der Akteure über das, was sie zu tun oder zu lassen haben, fehlen. Die Musiker bleiben stumm, die Protagonisten austauschbar. Erst beim ersten Bühnendurchlauf stellt sich die Magie des Stücks und der Musik ein, die Momentaufnahmen verschmelzen zu einem Gesamteindruck. Der Zauber beginnt, endlich, zu wirken. Frei nach Wagners "Parsifal": "Zum Bühnenraum wird hier die Zeit." Leider zu spät.

Die singende Stadt Premiere mit Regisseur Vadim Jendreyko: So 6.2., 17.30, Abaton (Bus 4, 5), Allende-Platz 3, Eintritt 7,50/6,50; Kinostart: 10.2.