Hamburg. Diese Frau ist ein Feuerwerk. Schleudert ihre ersten Töne in tosenden Begrüßungsapplaus. Wiegt sich auf wackelig hohen Absätzen in den Hüften, schwenkt rhythmisch die Arme. Der Petticoat wippt, und die Haare wogen wie ein feuerroter Ozean um ihren Kopf. Simone Kermes, einer der best vermarkteten Sterne am Sopranistinnenhimmel, und ihre Begleitcombo Le Musiche Nove haben ihr erstaunlich schütteres Publikum mit nichts als Barockmusik von den Sitzen gerissen.

Zugegeben: Es war italienischer Barock. Perlen von heute kaum bekannten Meistern wie Domenico Gallo oder Nicola Porpora reihten sich an Arien von Alessandro Scarlatti oder Johann Adolf Hasse. Mochte auch das Ensemble manchmal arg derb zulangen - der musikalische Drive, den die Beteiligten entwickelten, war unwiderstehlich.

Zornesarien stehen der temperamentvollen Sängerin ganz besonders: Die Koloraturen perlten, sie schnaubte und stampfte. Aber dann sang sie Lamenti und Liebesarien mit einer Innigkeit und Pianokultur, dass einem der Atem stehen blieb. Kermes selbst fiel es sichtlich schwer, aus den kleinen Szenen wieder aufzutauchen; der Jubel nach Riccardo Broschis "Chi non sente" schien sie fast zu erschrecken - und zu Tränen zu rühren. Ihr größtes Kapital ist ihre Glaubwürdigkeit. So entfesselt war die Laeiszhalle lange nicht. Warum schicken wir nicht mal eine wie sie zum Grand Prix Eurovision?