Xavier Dolans Porträt eines Heranwachsenden “I Killed My Mother“ überzeugt

"Ich weiß nicht, was geschehen ist", lauten die ersten Worte des jungen Mannes, direkt in die Videokamera gesprochen und vom Rest des (Farb-)Films durch Schwarz-Weiß abgesetzt. Das, in Verbindung mit dem Filmtitel, verheißt Schlimmes. Hubert ist 16 und seiner alleinerziehenden Mutter in inniger Hassliebe verbunden. Lautstark kritisiert er ihren schlechten Geschmack, ihre mangelnde emotionale Zuwendung. Den Mord an ihr vollzieht er allerdings nur in seiner Fantasie, einmal, indem er in der Schule erzählt, sie sei gestorben, ein anderes Mal, als er dort einen Aufsatz mit dem Titel des Films abliefert.

Immer wieder redet er sich in Rage, sodass der Zuschauer unweigerlich Mitgefühl mit der Mutter bekommt angesichts dieses Verhaltens. Da muss die Mutter ihm nicht erst sagen, dass sie wenig Verständnis dafür hat, von einer Fremden zu erfahren, dass ihr Sohn schwul ist.

Es ist die Qualität dieses Films, dass er vieles in der Schwebe lässt. Aneinandergekettet sind Mutter und Sohn, sie weist ihn immer wieder darauf hin, was sie für ihn tut (etwa ihn mit dem Auto zur Schule zu fahren), und setzt manchmal auch subtilen Psychoterror ein: wenn er wieder einmal ankündigt auszuziehen, erwähnt sie, dass sie ihm sein Lieblingsessen kochen wollte.

"I Killed My Mother" ist der Debütfilm des 1989 geborenen Frankokanadiers Xavier Dolan, basierend auf einer selbst verfassten Kurzgeschichte. Mit 19 übernahm er die Hauptrolle. Beim Festival von Cannes 2009 wurde er gleich mit drei Preisen ausgezeichnet - am selben Ort, wo 40 Jahre zuvor François Truffaut mit seinem Debüt "Sie küssten und sie schlugen ihn" Furore machte, einem Film, auf den Dolan mehrfach Bezug nimmt.

Die erste der Danksagungen im Nachspann des Films gilt übrigens der Mutter des Filmemachers. Wenn der Stoff, wie Xavier Dolan selber sagt, also autobiografische Elemente aufweist, dann hat er sich offenbar weiterentwickelt. Bei seiner Filmfigur darf man daran Zweifel hegen.

++++- I Killed My Mother Kanada 2009, 96 Min., ab 16 J., R: Xavier Dolan, D: Xavier Dolan, Anne Dorval, François Arnaud, Suzanne Clément, täglich im 3001; www.i-killed-my-mother.de