Erfolgschoreograf Sidi Larbi Cherkaoui gastiert mit “Babel (words)“ auf Kampnagel

Die Verwirrung, zwischen verschiedenen Sprachen, Kulturen und Religionen zu leben, hat der Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui am eigenen Leib erfahren. Der Wirrwarr ist aber auch Basis und Quelle seiner Kreativität geworden. Selbstbewusst zählt er im autobiografischen Video "Sidi Larbi Cherkaoui - rêve de Babel" das vielfarbige Spektrum seiner Identitäten auf: "Ich bin ein Mann, ein Sohn, ein Choreograf, ein Homosexueller, ein Belgier und trage eine Tätowierung ... "

Cherkaouis wurde 1976 in Antwerpen geboren, sein Vater, ein marokkanischer Immigrant, hat ihn muslimisch erzogen, die Mutter dann katholisch, nach der Trennung von ihrem Mann. Im Tanztheater "Babel (words)" untersucht Cherkaoui mit 18 Performern und Musikern aus 13 Ländern die Beziehungen zwischen Sprache und Nationalität, Identität und Religion. Nach der gefeierten "Sutra"-Performance mit Shaolin-Mönchen auf Kampnagel ist der Kairos-Preisträger 2009 wieder zu Gast in der Kulturfabrik. Inspiriert durch die biblische Geschichte vom Turmbau in Babel choreografierte er mit seinem langjährigen Weggefährten Damien Jalet den gestentänzerischen Sprachenstreit.

In den Augen des Choreografen schafft Sprache nicht nur Kommunikation. Sie diene auch der Abgrenzung und Markierung von Hierarchien oder Machtverhältnissen. Folglich gibt es im Stück viel Streit, der körperlich oder verbal ausgetragen wird. Die verschiedenen Ausdrucksprachen der Tänzer aus Australien, Bolivien, Europa, Indien und den USA lässt Cherkaoui bestehen, verknüpft aber auch die individuellen Alltagsgesten, Kampfsport-Elemente oder Mudras des klassischen indischen Tanzes in den Dialogen. Mit der 2010 entstandenen Choreografie schließt Cherkaoui, der sich intensiv mit westlichen wie asiatischen Kulturen und Religionen beschäftigt, seine Trilogie der tanzphilosophischen Betrachtungen ab. Unter dem Eindruck des Terroranschlags vom 11. September 2001 beschäftigte er sich mit religiösem Fanatismus und Glauben ("Foi", 2002), behandelte dann in seinen tänzerischen Reflexionen die Mythen ("Myth", 2007). Glaubensfragen und Zweifel, die positiven wie negativen Seiten von Religiosität tauchen in Cherkaouis Arbeiten immer wieder auf. Die Stücke des flämisch-marrokanischen Tanzkünstlers haben jedoch nie etwas Missionarisches, zeugen zwar oft von einem heiligen Ernst ("Sutra"), aber stets auch von Humor und Selbstironie in der mitreißenden Bewegungssprache.

Antony Gromley hat - wie in "Sutra" mit den Holzkisten - wieder das Bühnenbild gestaltet. Der britische Bildhauer stapelte für "Babel (words)" fünf unterschiedliche Quader aus Leichtmetallgestänge turmartig übereinander. Die Skulptur lässt sich von den Tänzern drehen und wenden und strukturiert den Raum für die fulminanten Solo- und Gruppenszenen immer wieder neu.

Babel (words) Mi 9.2. bis 12.2., 20.00, Kampnagelfabrik (U Borgweg, Bus 172/173 Jarrestr.), Jarrestr., Karten von 8,- bis 36,-, T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de