Wiedersehen macht Freude: Am Sonntag feiert Regisseur Andreas Homoki mit “Faust“ Premiere an der Staatsoper

Hamburg. Wie es heißt, begegnet man sich immer zweimal im Leben. Aber wer denkt schon beim ersten Mal daran? Andreas Homoki jedenfalls hat bei seinem Debüt als Regisseur an der Hamburgischen Staatsoper 1994 offenbar nicht allzu viel fasch gemacht: 17 Jahre später begrüßen ihn Requisiteure, die schon damals am Haus waren, freudig wie einen, an den man sich zwischendurch immer wieder gern erinnert hat.

"Ich war der heiße, junge Regisseur damals", sagt Homoki mit höchstens einem Viertelgramm Wehmut in der Stimme. Gerd Albrecht hatte ihn nach Hamburg geholt, Verdis "Rigoletto" wurde seine erste Arbeit an einem großen Haus. Inzwischen, mit 50 Jahren, ist aus dem heißen, jungen Regisseur der - in Bühnenzeitaltern gemessen - noch immer halbwegs junge, heiße Opernintendant geworden: 2012 gibt Andreas Homoki die Intendanz der Komischen Oper Berlin ab und übernimmt die Leitung des Opernhauses Zürich.

Seinen zweiten Regieauftrag in Hamburg führt Homoki jetzt am Sonntag zur Premiere: den "Faust" des französischen Komponisten Charles Gounod. "Es klingt vielleicht langweilig, aber die Arbeit hier hat so reibungslos funktioniert, dass es die reine Freude ist", sagt er. Der Mann mit dem grauen Lockenkopf und den hellen blauen Augen wirkt bodenständig und klug. Bei aller Kooperationsbereitschaft hat Homoki keine Skrupel, sich bei der Probe auf der großen Bühne auch mal mit einem herzhaft gebrüllten "Ruhe!" Gehör zu verschaffen. Er will ja nur Konzentration und hasst den Zeitverlust durch Kommunikationslöcher auf dem weiten Weg zwischen Regiepult und Bühne. Eine Diva ist er nicht.

Simone Young, Intendantin der Staatsoper, hatte ihm den "Faust" angetragen. Die beiden kennen sich von ihren Anfängen in Köln Ende der 80er-Jahre, wo sie gemeinsam als Assistenten von Harry Kupfer und Willy Decker arbeiteten. Und Homoki, der lange gezaudert hatte, fühlte sich endlich bereit zu diesem Stück: "Ich habe 1988 Willy Decker beim 'Faust' assistiert, und das Ergebnis war so schlagend überzeugend, dass ich dachte: Das mache ich selber nicht mehr. Es gibt eben Inszenierungen, auch Konwitschnys 'Lohengrin' hier aus Hamburg, da kann man schwer drüber."

Eine historisierend-naturalistische Inszenierung darf von diesem Regisseur nicht erwartet werden. "Für mich ist der 'Faust' eine Reise in eine Albtraumwelt", sagt Homoki. "Der Stoff ist ja viel älter als Goethes Drama, und die Figuren sind wie Archetypen: der Teufel, das junge Mädchen, der Soldat. Ich denke beim 'Faust' eher an 'Das Kabinett des Doktor Caligari' oder so holzschnitthafte Stummfilmfiguren." Als Bühne hat Homoki deshalb mit seinem langjährigen Ausstatter Wolfgang Gussmann ein Labyrinth ersonnen, das aus konzentrisch mal mit-, mal gegeneinander laufenden Scheiben besteht. Eine geometrisch-physikalisch ausgesprochen diffizile Konstruktion mit mehreren Spielflächen in einer. "Ich glaube nicht an unterschiedliche Orte", sagt der Regisseur. "Das Stück hat seinen Ort: die Bühne."

Dass ihm nach 17 Jahren für seine zweite Hamburger Arbeit ausgerechnet wieder eine dem "Rigoletto" von 1994 vergleichbare Abstraktionsebene einfiel, sieht Homoki eher als Ironie. "Ich baue hier wieder so ein Puppentheater wie damals. Aber glauben Sie mir: Wir machen das nicht immer so. Wir können auch anders."

Der Komponist Charles Gounod (1818-1893) führte selbst auf Reisen immer ein Exemplar von Goethes "Faust" mit sich. Doch bei aller Verehrung für den Meister steht bei ihm nicht der alte "Habe nun, ach"-Doktor im Mittelpunkt, der sich von Mephistopheles für noch ein bisschen Jugend Seele und Schneid abkaufen lässt. Sondern das Mädchen Margarethe. Dazu schuf Gounod, der zeitweilig mit dem Priesterberuf liebäugelte und den die Nachwelt überwiegend als Lieferanten des etwas zweifelhaften "Ave Maria" über dem C-Dur-Präludium von Bach in Erinnerung hat, eine wunderbar sinnliche und gesangliche Musik. Sie bescherte ihm seinen einzigen wirklich großen Erfolg zu Lebzeiten.

Die Sängerbesetzung - in den Hauptrollen Giuseppe Filianoti als Faust, Tigran Martirossian als Mephisto, Alexia Voulgaridou als Marguerite, George Petean als Valentin und Marina Markina als Siébel - hat Homoki übernommen. Aber auch da die reinste Harmonie: "Die Sänger sind toll. Sie passen menschlich und vom Typ her gut zueinander, auch der Dirigent Cornelius Meister ist Spitze." Und wer wirbelt bei der berühmten Walzerszene über die Bühne, wo das Hamburg Ballett in Opern aus Prinzip nie auftritt? Niemand. "Die Bühne tanzt."

Charles Gounod: "Faust" So 30.1., 18.00 (Premiere) Staatsoper (U Stephansplatz), Große Theaterstraße 25, Tickets zu 6,- bis 158,- unter T. 35 68 68 oder ticket@staatsoper-hamburg.de