Martin Willich verabschiedet sich vom Studio Hamburg. Er machte in knapp 31 Jahren aus dem Unternehmen eine moderne Produktionsgesellschaft

Hamburg. Diese Geschichte beginnt 1979 in einer kleinen Kneipe an der Mundsburg, und sie endet auf einem großen, glanzvollen Empfang. Es ist die Geschichte der Karriere von Martin Willich, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung von Studio Hamburg, der am Freitag in den Ruhestand verabschiedet wurde.

Man kann sich die Produktionsgesellschaft kaum ohne den gebürtigen Thüringer vorstellen, der ihr knapp 31 Jahre diente. Wenn man mit ihm über das Ateliergelände ging, grüßte er alle Mitarbeiter, die ihm entgegenkamen, mit Namen, erkundigte sich nach dem Gesundheitszustand oder nach der Frau Gemahlin. Der Patriarch alter Schule kannte offenbar jeden seiner 850 Beschäftigten persönlich.

Er machte aus der 1947 von Gyula Trebitsch als Real Film gegründeten Firma eine moderne Produktionsgesellschaft. Als der promovierte Jurist am 1. März 1980 bei Studio Hamburg anfing, war das Unternehmen vor allem ein Atelierdienstleister mit einer kleinen Produktionsabteilung. Heute tragen Produktionen, hauptsächlich für TV-Sender, zwei Drittel zum Umsatz von Studio Hamburg bei. Denn auch das ist ein Erbe Willichs: Statt auf Film setzt Studio Hamburg vor allem auf das Fernsehen. TV-Produktionen wie "Großstadtrevier", "Notruf Hafenkante", der Hamburger "Tatort" oder die Soap "Rote Rosen" stehen für die Ära Willich. Und er bescherte der Produktionsfirma mit dem Standort in Berlin-Adlershof ein zweites Standbein, das immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Von all dem konnte 1979 Jobst Plog, damals Justiziar des NDR, dessen Intendant er später werden sollte, nichts ahnen, als er sich mit Willich in der kleinen Kneipe an der Mundsburg traf. Er suchte für die NDR-Tochter Studio Hamburg einen Geschäftsführer. Ihm war der junge Jurist, der da vor ihm saß, empfohlen worden. Willich firmierte seinerzeit bei Reemtsma als Justiziar, kümmerte sich aber vor allem um die Brauerei-Beteilungen des Tabakhauses.

"Ich dachte damals, es ist kein großer Unterschied, ob man als Manager für Bier, Zigaretten oder eine Film- und TV-Produktion verantwortlich ist", sagt er. Und so nahm er das Jobangebot an. Schnell merkte Willich, dass seine ursprüngliche Einschätzung falsch war: "Unsere Branche ist in ihrer Mischung aus Kreativität und knallharter Ökonomie einzigartig." Der Jurist hatte seine Berufung gefunden.

Schnell machte er bei Studio Hamburg Karriere: Anfangs war er nur für Finanzielles, Recht und Personal verantwortlich. Aber bereits 1984 übernahm er den Vorsitz der Geschäftsführung. Die hervorragenden Kontakte des langjährigen CDU-Bürgerschaftsabgeordneten kamen auch Studio Hamburg zugute. 1995 legte er jedoch sein Mandat nieder und widmete sich ganz der Produktionsgesellschaft. Es gab einfach zu viel zu tun. Und Berufspolitiker hatte Willich, dem seine Unabhängigkeit wichtig ist, ohnehin nie werden wollen.

Schon kurz nach dem Mauerfall war ihm klar, dass Berlin die Medienmetropole des wiedervereinigten Deutschlands werden würde. Er hatte sich bereits zu DDR-Zeiten die TV-Studios in Adlershof angeschaut. Nun zog er zunächst als Mieter, später mit der neu gegründeten Tochter Studio Berlin als Eigentümer auf das Gelände, das einst das DDR-Fernsehen beherbergte.

Die Konkurrenz zwischen den Medienstädten Berlin und Hamburg wird nach Willichs Ansicht überbewertet. "Wenn wir als Hamburger Firma mit unserer Berliner Tochter auf Tahiti eine Folge des ,Traumschiffs' drehen, ist das dann eine Hamburger oder Berliner Produktion?", fragt er. Dennoch sorgt er sich um den Medienstandort Hamburg. Vielen Politikern sei nicht bewusst, wie wichtig Filme und Serien, die an Alster und Elbe gedreht werden, für das Image der Stadt seien. "Wir verkaufen das ,Großstadtrevier' bis nach Italien", sagt er. "Die Serie hat Fanklubs in Bayern und Baden-Württemberg." Generell könnte für die Kultur mehr getan werden: "Die Stadt muss dafür sorgen, dass Künstler sich hier zu Hause fühlen."

Nach seinem Ausscheiden bei Studio Hamburg will Willich ehrenamtlich arbeiten - vor allem für die evangelische Kirche und den Denkmalschutz. Für den Herbst ist eine fünfwöchige Reise nach Australien geplant.

So ganz geht Willich Studio Hamburg aber nicht verloren. Auch als Pensionär wird er auf dem Studiogelände ein Büro haben.