Hamburg. Ja, er hat gesungen. Nach der ersten Zugabe von Dame Felicity Lott, einer hinreißenden Version von "My Funny Valentine" für Sopran und Streichquartett, setzte sich Jeffrey Tate an den Flügel, drückte eine ziemlich jazzige Begleitung in die Tasten und sang mit heller, klarer Stimme Eric Maschwitz' Lied "A Nightingale Sang In Berkeley Square". Damit hatte der Chefdirigent der Hamburger Symphoniker nicht nur charmant die Wettschuld eingelöst, die er sich durch seine falsche Prognose auf Brasiliens Sieg bei der Fußballweltmeisterschaft in der Abendblatt-Wette 2010 eingehandelt hatte. Er brachte in seinem Lied auch den Namen eines Vogels ins Spiel, an den man bei Dame Felicitys Gesang zuvor beinahe unaufhörlich denken musste: die Nachtigall.

Auf heitere, vollkommen in sich ruhende und verspielte Art interpretierte diese große Künstlerin einige Liebhaberstücke der vermeintlich leichten Muse - Lieder von Franz Lehar und Oscar Straus, Kurt Weill und Jacques Ibert, Richard Rodgers und Noel Coward. Ihre perfekte Intonation gab ihr jeden Spielraum zu gestalterischer Freiheit, sodass jede der Figuren, die sie auf Deutsch, Französisch und Englisch sang, zu einem eigenen Wesen wurde. Ihr warmes Timbre gab den kaum zählbaren Schlüpfrigkeiten in den Songtexten aus den 10er- bis 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts eine vergnügliche Erfahrungstiefe.

"Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?", lautet ein Titel, in einem anderen preist eine Frau die Vorteile, die man mit gleich zwei Liebhabern hat. Und in "Mad About The Boy" öffnete Dame Felicity Lott mehr als einen Spaltbreit die Tür ins Boudoir einer Dame, die für die Amour fou zu einem jungen Kerl eigentlich ein bisschen zu alt ist - und die doch nicht anders kann.

Während die Sängerin das Motto des Abends "Leicht muss man sein ..." auf allen Ebenen spielend einlöste, hätte man sich von der orchestralen Begleitung mehr Akkuratesse und Pfiff gewünscht. Vor allem die Streicher bremsten bei den in Salonorchesterstärke mitwirkenden Hamburger Symphonikern häufig ziemlich unschön den Schwung. Dass die Arrangements extra für diesen Abend geschrieben worden waren, macht die Schwächen erklärlich. Die leichte Muse erhört eben nur den, der ausdauernd um sie wirbt.