Der erste “Wahre Kulturgipfel“ in der Fabrik brachte Protestler und Politiker auf ein Podium. Aber kaum Erkenntnisse

Hamburg. Kulturpolitik in dieser Stadt ist, wenn alle demonstrativ von Kultur begeistert sind - sehr oft ja auch zu Recht - und wenn manche deswegen toll, andere zu viel und einige auch mal Blödsinn reden. Dieser Eindruck zumindest ließ sich nach drei Stunden auf hartem Fabrik-Gestühl in die kalte Ottenser Nacht mitnehmen.

Gut vier Wochen vor der Wahl sollte in der Fabrik gelingen, was im Oktober im Gästehaus des Senats an der Alster gescheitert war. Ein wahrer Kulturgipfel, mit haltbaren Ansagen, mit Dialogen auf Augenhöhe statt kenntnisfreien Anordnungen von oben. Wie sehr die Sache damals in die Grütze ging, ist weit über die Grenzen der lädierten Hamburger Kulturlandschaft hinaus bekannt. "Es hat sich eine Menge angesammelt in den letzten Monaten"; meinte Initiativen-Sprecher Peter Schwanewilms.

Der Ort war mit Bedacht gewählt. Hier kam beim Streit über die Fabrik-Zukunft, damals noch von Karin von Welck vom Zaun gebrochen, die hanseatische Kulturkontroverse Jahrgang 2010 in Gang; einige Straßen weiter eskalierte im Herbst der Widerstand, als das Altonaer Museum dem Tod durch Kürzung ins Auge blicken sollte.

Den ersten Teil dieses langen Abends bestritten Abgesandte und Experten verschiedenster Sparten und Proteste: Konstantin Kleffel, Präsident der Architektenkammer, erinnerte an die Damoklesschwerter, die von hauseigenen Bürokraten über dem Denkmalschutzamt angebracht wurden und forderte auch, die Warburg-Bibliothek für Hamburg zu sichern. Kirsten Baumann, seit Kurzem Chefin der Stiftung Historische Museen ("Kein Job, um den man sich reißt"), las den Politikern im Parkett mit einem Zehn-Punkte-Plan die Leviten und fühlte sich, vom Dessauer Bauhaus nach Hamburg gekommen, in die "Kultur-Provinz" verschlagen.

Klaus Schumacher, Leiter des Jungen Schauspielhauses, mahnte, die inkompetenten Spardrohungen im vorigen Herbst seien ein Unfall gewesen - aber eine Neuauflage wäre "vorsätzlich". Und da meldete es sich bei vielen hier wieder, dieses geradezu erhabene, romantisch verklärende Gefühl, Teil von etwas Großem, Wichtigem und Bewegendem zu sein. Wie damals, in zugigen, ungeheizten Gängeviertel-Zimmerchen, bei den Wutbürger-Familien vor dem Altonaer Museum oder bei der Anti-Stuth-Demonstration vor der Wagenburg Kulturbehörde.

Pausenmusik, neue Getränke, Zeit für eine erste Halbzeit-Spielkritik mit den Betroffenen im Saal.

Vor einem Transparent mit dem Klassiker von Michael Naumann (ein Zwischenruf dazu aus den vorderen Reihen: "Olaf, dein Vorgänger ...!") über die Bedeutung kultureller Landesverteidigung nahmen fünf Diskutanten Platz, um sich vom Moderator Christoph Twickel durch rhetorische Blutgrätschen aus dem Konzept ihrer tapfer memorierten Wahlprogramme bringen zu lassen. Für Deuter politischer Symbolik war dabei dankbar, dass CDU und Linke mit ihren Fachsprechern vertreten waren, SPD und GAL jedoch nicht. Die schickten - wenn schon Gipfel, denn schon - Olaf Scholz und Christa Goetsch ins Rennen. Doch als Twickel sich die Frage aller Fragen ("Wer wird denn nun neuer Kultursenator?") nicht länger verkneifen konnte, kam von der GAL-Politikerin sibyllinisch zurück: "Es ist gute Tradition, dass vor der Wahl nicht über Posten geredet wird."

Scholz hielt sich leider daran und verkniff sich konsequent jeden Hinweis, wer aus welcher Partei (oder auch nicht?) wohl diesen Renommierposten im Senat übernehmen würde. Mehr als die Ansage, die Kulturbehörde solle ihre Eigenständigkeit behalten, war ihm dazu nicht zu entlocken, obwohl er kurz vor Diskussionsbeginn noch Handlungslust betont hatte. Kultur wirke momentan nicht gerade wie ein großes Wahlkampfthema? "Das glaube ich nicht, und ich habe mich auch anders entschieden", sagte er. "Viele haben gehofft, dass alles beim Kulturgipfel Beschlossene noch mal neu besprochen werden kann, wenn es zu einem Regierungswechsel kommt. Und das ist eine berechtigte Hoffnung."

Dennoch blieben auf der Fabrik-Bühne viele Aussagen unverblümt unverbindlich.

Goetsch unterstrich den Unterschied zwischen Kultur und Kreativwirtschaft. Martens brach eine Lanze für die Eventkultur. Norbert Hackbusch bestätigte vor allem seine Rolle als Opposition. Für die treffsicherste Pointe sorgte Scholz kurz vor Ende der Debatte. Nachdem seine CDU-Tischnachbarin Martens ihn beglückt daran erinnerte, die gerade von ihm verwendete Phrase über die "Lebenswerte Stadt" sei ein Slogan ihrer Partei, da solle er vorsichtig sein, konterte er mit einer Geraden aufs Glaskinn dieses Arguments: "Wie haben Sie es nur geschafft, dass das keiner mit Ihnen verbindet?"

Interessant war zu diesem Zeitpunkt eher, was nicht erwähnt wurde: Das Thema Schauspielhaus-Intendanz beispielsweise, oder das "Was dann, sollte Karin Bier den Sammer machen und doch nicht nach Hamburg kommen". Bezeichnenderweise war es ein längst abgedankter Politiker, Ex-Kultursenator Dieter Biallas (FDP), der mit gravitätischer Stimme zu bedenken gab, Kultur müsse wieder etwas sein, das die Hand auch mal beißt, die sie füttert.

Es gab keinen Vorhang, der sich hätte schließen können. Die vielen Fragen blieben auch ohne offen.