Das französische Pop-Kollektiv Nouvelle Vague präsentiert am 29. Januar in der Großen Freiheit 36 die Wave-Kraft des Bossa Novas.

Frankreichs größter Exportschlager ist keine Chansons schmachtende Diseuse à la ZAZ, sondern eine Band, die sich ausgerechnet dem minderwertigen Genre der Coverversion angenommen hat. Nouvelle Vague, benannt nach dem avantgardistischen Kino der 60er-Jahre, entreißt anglo-amerikanischen Punk, der schon einige Dekaden auf dem Buckel hat, dem Vergessen, indem es ihn lässig auf elegant wippende Beach-Reggae-Rhythmen und sanft hin gepinselten Bossa Nova trimmt.

Die hochemotionalen Texte singen bis zu acht verschiedene brüchig hauchende Französinnen und Brasilianerinnen. Böse Zungen warfen den beiden Vordenkern, den französischen Produzenten und DJs Olivier Libaux und Marc Collin, rein kommerzielle Begehrlichkeiten "Cocktail schlürfender Ex-Punks" vor. "Marc und ich kannten uns schon als Jugendliche. Wir kamen aus dem gleichen musikalischen Stall. New Wave war die Musik, die wir am meisten geliebt haben", sagt Libaux. "Als Collin mit dem Gedanken ankam, Coverversionen in Bossa-Nova-Manier zu produzieren, dachte ich, das ist entweder absoluter Schwachsinn oder die Idee des Jahrhunderts."

Wohl Letzteres, die Idee funktioniert nun schon über vier Alben. 2003 rekrutierte das Duo blutjunge Sängerinnen, die die Original-Songs meist nicht kannten. Sie hatten keinerlei Scheu, die kanonischen Klassiker wie "A Forest" von The Cure oder "In A Manner Of Speaking" von Tuxedomoon zu entzaubern. Inzwischen sind die Misstöne der Punk-Puristen überstimmt, manche entdecken in den Songs gar neue Dimensionen. Ein cleverer Zug war es, der damals noch vollkommen unbekannten Camille und ihrer wandlungsfähigen Stimme den Dead-Kennedys-Klassiker "Too Drunk To F**k" zu überlassen.

Inzwischen hat Nouvelle Vague den Joy-Division-Gassenhauer "Love Will Tear Us Apart" häufiger aufgeführt als die Originalband. Die Songs tönen durch Fernsehserien und Werbefilme. Auf dem letzten, schlicht "3" betitelten Album schmuggelten die Franzosen verdächtig viele rauere Bluegrass- und Country-Folk-Arrangements hinein. Sogar einige Originale halfen freiwillig mit, das eigene Werk persönlich zu mumifizieren: Martin Gore von Depeche Mode und Echo And The Bunneymans Ian McCulloch.

Auch ein Erfolgsprojekt wie Nouvelle Vague muss sich weiterentwickeln, will es nicht irgendwann in gepflegter Easy-Listening-Langeweile erstarren. Auf dem vierten Longplayer schwelgt Nouvelle Vague in "Couleurs Sur Paris" und gräbt diesmal im heimischen New-Wave-Stall verschüttetes Klanggold aus. Taxi Girl, eine alte Band von Produzent Mirwais, Kas Product oder Jad Wio sind da lieblich verfremdet zu hören, aber auch echte Hits wie Les Rita Mitsoukos "Marcia Baila". Vanessa Paradis darf Etienne Dahos Hit "Week-End à Rome" von 1984 verzärteln. Die stimmgewaltige Olivia Ruiz interpretiert La Mano Negra und Charlie Winston das depressive "So Young But So Cold" von Kas Product.

Wie üblich werden wohl nur die Sängerinnen Melanie Pain und Nadeah Miranda zum Konzert am 29. Januar in der Großen Freiheit anreisen. Mit Freude erinnern wir uns an das Kampnagel-Konzert beim Internationalen Sommerfestival 2009. Selten hat der Bossa Nova so lasziv das Haus gerockt.

Nouvelle Vague Sa 29.1., 19.00, Große Freiheit 36 (S Reeperbahn), Karten zu 29,65 im Vorverkauf; www.nouvellesvagues.com