An der Lichtwarkschule in Winterhude gab es in der NS-Zeit eine Insel, in der noch eine freie und sachliche Atmosphäre herrschte.

Obwohl auch die fortschrittliche, 1921 gegründete Lichtwarkschule in Winterhude, in der von Anfang an Jungen und Mädchen in einer Klasse unterrichtet wurden, der nationalsozialistischen Gleichschaltung des Bildungssystems nicht entgehen konnte, gab es hier eine Insel, in der noch eine freie und sachliche Atmosphäre herrschte. Die Lehrerin Erna Stahl vermittelte in ihren Leseabenden einen geistigen Gegenentwurf zur Nazi-Ideologie und gewann damit großen Einfluss auf die Entwicklung der Jugendlichen. Am 4. Dezember 1943 wurde sie aufgrund ihrer Nazi-Gegnerschaft verhaftet und später vor dem Volksgerichtshof angeklagt. Anfang April 1945 verlegte man die aufrechte Lehrerin von Hamburg nach Bayreuth. Dort wurde sie wenige Tage später von amerikanischen Truppen befreit. Sie starb am 13. Juni 1980. Viele Teilnehmer der Treffen gehörten zu den wichtigsten Persönlichkeiten des Hamburger Widerstands. Manche von ihnen gründeten eigene Zirkel oder engagierten sich in anderen oppositionellen Kreisen.

Margaretha Rothe (1919-1945)

Erna Stahls Leseabende haben die Lichtwark-Schülerin Margaretha Rothe nachhaltig geprägt. Aber sie war auch darüber hinaus im Widerstand aktiv, nahm Kontakt zu anderen Zirkeln auf und druckte mit ihrem Freund Heinz Kucharski Flugblätter, auf denen die Frequenzen und Sendezeiten von "Feindsendern" verzeichnet waren. Die junge Hamburgerin studierte in Berlin und Hamburg Medizin. Nach einer Denunziation wurden sie und etwa 30 andere Hamburger NS-Gegner am 9. November 1943 verhaftet. Margaretha Rothe starb am 15. April 1945 in Gestapo-Gewahrsam in der Klinik in Dösen bei Leipzig an den Folgen einer Lungentuberkulose.

Heinz Kucharski (1919-2000)

Der Sohn eines Hochschulprofessors besuchte die Lichtwarkschule, gehörte fast allen Zirkeln an und zählte zu den führenden Personen des Widerstands. Er studierte Philosophie, Indologie und Ethnologie in Hamburg und Berlin, wurde 1941 zur Wehrmacht eingezogen und später aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Mit Gleichgesinnten diskutierte er das dritte Flugblatt der Weißen Rose, sprach sich aber auch für einen gewaltsamen Widerstand aus. 1943 verhaftete ihn die Gestapo. Kucharski wurde vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, konnte sich der Hinrichtung aber durch Flucht entziehen. Er starb am 8. Oktober 2000 in Leipzig.