Heute ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Aus diesem Anlass erinnern wir an Menschen, die in Hamburg gegen die braune Gewaltherrschaft Zeichen setzten - stets unter Einsatz ihres Lebens

Am 18. Februar 1943 betraten die Studenten Hans und Sophie Scholl am späten Vormittag das Hauptgebäude der Münchner Universität. Hans trug einen rotbraunen Lederkoffer bei sich, Sophie eine Aktentasche. Darin befanden sich Hunderte Exemplare eines Flugblattes, in dem die Angehörigen der Widerstandsgruppe Weiße Rose den Angriffskrieg, den das Dritte Reich mit verbrecherischen Methoden führte, schonungslos verurteilten. Als Sophie im zweiten Stock einen Stapel der Papiere in den Lichthof segeln ließ, entdeckte sie der Hörsaaldiener Jakob Schmidt, der sofort die Gestapo alarmierte und die Studenten bis zu deren Eintreffen festhielt. Vier Tage später waren Sophie und Hans Scholl und der gleich darauf verhaftete Christoph Probst nicht mehr am Leben - vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, exekutiert durch das Fallbeil.

Die Verhaftung, Verurteilung und Hinrichtung der Geschwister Scholl und weiterer Angehöriger der Weißen Rose war ein Fanal, das viele Menschen erschütterte, manche aber auch in der Überzeugung bestärkte, etwas gegen das Regime tun zu müssen. Was das bedeutete, lässt sich heute kaum ermessen: Wer sich gegen den nationalsozialistischen Staat wandte, begab sich sofort in Lebensgefahr. Schon jede despektierliche Bemerkung, jeder politische Witz, jede kritische oder oppositionelle Äußerung und noch viel mehr jede Widerstandshandlung konnte eine Verhaftung und nicht selten den Tod nach sich ziehen. Aber das Beispiel der Weißen Rose führte den Menschen auch die Macht der Machtlosen vor Augen. Ihr mutiges Handeln zeigte, dass die Wahrheit in Deutschland nicht gänzlich verstummt war, dass die Verbrechen der Nationalsozialisten nicht unwidersprochen blieben und dass es auch außerhalb des organisierten politischen Widerstands Menschen gab, die sich dagegen auflehnten.

Die aus Hamburg stammende Medizinstudentin Traute Lafrenz hatte Hans Scholl im Juni 1941 kennengelernt. Schon bald unterhielt sie enge Kontakte auch zu anderen Angehörigen der Weißen Rose. Sie nahm an Diskussionsabenden im Hause des später ebenfalls hingerichteten Professors Kurt Huber teil. Als ihre Freunde verurteilt wurden, stand sie deren Familien bei. Lafrenz, die später selbst verhaftet wurde, hatte mehrfach Flugblätter der Weißen Rose mit nach Hamburg gebracht und dort an ihre ebenfalls oppositionell eingestellten Freunde weitergegeben. Sie und der Chemiestudent Hans Leipelt, der nach der Ermordung der Geschwister Scholl das letzte Flugblatt der Weißen Rose mit nach Hamburg brachte, stellten eine Verbindung zwischen den Münchner und den Hamburger Widerstandskreisen her.

Gab es also analog zur Gruppe um Hans und Sophie Scholl eine "Hamburger Weiße Rose"? Sicher ist, dass in der Hansestadt Personen lebten, die die Ziele der Münchner Widerstandsgruppe teilten und sich unter hohem persönlichen Risiko oppositionell betätigten. In späteren Publikationen ist in diesem Zusammenhang von der "Hamburger Weißen Rose" oder dem "Hamburger Zweig der Weißen Rose" die Rede. Diese Begriffe stammen aber erst aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, die Angehörigen des Hamburger Widerstands haben sich während des Dritten Reichs niemals so genannt. Dass der Name "Weiße Rose" weiterhin mit Hamburg in Beziehung gesetzt wird, ist dennoch legitim, zumal es sowohl personelle Verbindungen, vor allem aber eine Übereinstimmung in der Kritik am nationalsozialistischen Herrschaftssystem gab. Andererseits unterschied sich die Situation des Münchner Kreises, der vor allem aus Studenten und Universitätslehrern bestand, von der Hamburger Widerstandsszene.

"In Hamburg gab es ein weltoffenes und liberales Bürgertum, in dessen Häusern der nationalsozialistischen Bewegung zum Teil mit Ablehnung und Misstrauen oder ganz allgemein mit Herablassung begegnet wurde", schreibt der Historiker Magnus Koch in einer Studie. Dieses bürgerliche Milieu war das verbindende Element einer sehr differenzierten oppositionellen Szene, die aus mehreren informellen Kreisen bestand, die im Zeitraum zwischen 1935 und 1943 aktiv waren.

In diesen Gruppen, die sich teilweise schon lange vor der Bildung der Münchner Weißen Rose zu treffen begonnen hatten, verkehrten Gleichgesinnte, die darin eine Möglichkeit sahen, sich den Zwängen des nationalsozialistischen Alltags zu entziehen. Man sprach über Kunst, Musik, Literatur und Philosophie, musizierte oder hörte verbotene Jazzmusik. Da die Interessen der Teilnehmer vielfältig und differenziert waren, gab es zwischen den einzelnen Gruppen und Zirkeln oft personelle Überschneidungen.

Auf dieser Doppelseite stellen wir die wichtigsten dieser Hamburger Widerstandsgruppen und jeweils zwei ihrer Mitglieder kurz vor. Dabei handelt es sich nicht um die jeweiligen Führungspersonen, sondern vielmehr um Mitglieder, die stellvertretend für alle damals Beteiligten genannt werden.

Auch wenn es keinen bewaffneten oder gewaltsamen Widerstand gab, riefen die oppositionellen Aktivitäten der Hamburger Gruppen die Gestapo auf den Plan. Nach der Hinrichtung der Angehörigen der Weißen Rose eskalierte die Situation auch in Hamburg. Aus den Akten der Gestapo geht hervor, dass sie einen Zusammenhang zwischen "staatsfeindlichen Aktivitäten" in München und Hamburg entdeckt hatte.

Im Mai 1943 schlug die Gestapo zum ersten Mal zu. In mehreren Wellen wurden mehr als 30 Personen verhaftet. Dabei spielten eingeschleuste Spitzel eine wichtige Rolle. Acht Angehörige der Hamburger Widerstandskreise überlebten die Haftzeit nicht.

Ihre Namen sind: Katharina Leipelt, Elisabeth Lange, Reinhold Meyer, Hans Leipelt, Margaretha Rothe, Friedrich Geussenhainer und Margarethe Mrosek. Als Letzter wurde Curt Ledien am 23. April 1945 im KZ Neuengamme ermordet, nur zehn Tage bevor der Krieg für Hamburg zu Ende ging.

Die Auseinandersetzung mit den historischen Ereignissen setzte in Hamburg erst spät ein. Straßen, Gebäude und Schulen sind heute an vielen Orten den Protagonisten gewidmet, ebenso wie Gedenktafeln und Mahnmale. Seit 1971 erinnert die Universität mit einer Bronzetafel an die studentischen Opfer. Dort findet jährlich eine kleine Gedenkfeier statt.

Die Recherche für diese Doppelseite wurde unterstützt durch die Körber-Stiftung Hamburg und die Weiße-Rose-Stiftung, München. Die fachliche Beratung lag in den Händen des Historikers Dr. Magnus Koch.