Christian Thielemann triumphierte mit den Münchner Philharmonikern in der Laeiszhalle - und das auch noch mit Brahms

Laeiszhalle. Er hechtet aufs Dirigentenpodest wie ein versehentlich an Land geschleuderter Wal. Der Oberkörper schießt nach vorn, ein hungriger, fast diabolischer Blick nimmt kurz das Publikum ins Visier. Dann dreht er sich um, fixiert die Musiker, hebt den Taktstock, und jetzt, Gott sei Dank, taucht Christian Thielemann wieder ein in die Fluten der Musik, in sein Element. Am Montag brach der bedeutendste deutsche Dirigent der U-60-Generation mit (noch) seinen Münchner Philharmonikern über die komplett ausverkaufte Laeiszhalle herein wie ein Naturereignis - seitens des Orchesters freilich gebändigt durch mustergültige Disziplin und Spielkultur.

Brahms dritte und vierte Sinfonie standen auf dem Programm, und man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Thielemann den hochmögenden Herrschaften in der Geburtsstadt des Komponisten mal zeigen wollte, wie Brahms eigentlich geht. Dafür brauchte er keine Partitur; Thielemann hat die Musik im Kopf und im Leib. Warum das so glänzend funktioniert, warum aus dem Orchester dieser schlicht vollkommen zu nennende Klang herauskommt, der bei aller Kraft nichts Forciertes hat - man kann es nicht erklären. Manchmal scheint es, als ließe Thielemann die Musik einfach laufen. Dann ist das Orchester das Meer. Aber jede noch so kleine, flirrende Bewegung mit seiner linken Hand löst etwas aus bei den Musikern. Dann werden sie zum Schiff auf dem Meer, und er ist wieder ihr unerbittlicher Kapitän. Jedes Pult ist erstklassig besetzt, und man spielt derart einmütig und geschmeidig zusammen, als sei ein bayerischer Zaubertrank am Werk. Nach der Einleitung der Holzbläser zum zweiten Satz der Vierten hätte man in Frieden von der Welt scheiden mögen. Auch sonst: göttliche Hörner, eine wunderbare Soloflöte, eine Klarinette, die aus dem Nichts zu kommen scheint und ein eminent sinnlicher Streicherklang. Die Zugabe, einen der Ungarischen Tänze, dirigierte Thielemann teilweise in der Hocke mit zusammengefalteten Händen. Und grinste über die Schulter in den Saal: Sehen Sie, die können auch ohne mich.