ZDF-Intendant Markus Schächter will nicht für eine weitere Amtszeit kandidieren. Als sein möglicher Nachfolger gilt Programmdirektor Thomas Bellut

Hamburg. Wer im Dezember 2009 Markus Schächter in seinem Büro im 14. Stock des Hochhauses auf dem Mainzer Lerchenberg besuchte, traf auf einen ZDF-Intendanten, der müde und angespannt wirkte. Hinter ihm lagen anstrengende Monate, ein kräftezehrender Kampf und eine kapitale Niederlage: Schächter hatte sich für eine Verlängerung des Vertrags von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender eingesetzt. Die vom damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch angeführte Unionsmehrheit im Verwaltungsrat des Senders wollte den unbequemen Journalisten aber unbedingt loswerden.

Schächter bot Kompromisslösungen an. Er tat alles, um das Gremium umzustimmen. Doch es war vergebens: Am 27. November 2009 entschied sich der ZDF-Verwaltungsrat gegen Brender und nahm dabei billigend eine Beschädigung des Intendanten in Kauf. Niemand hätte es Schächter übel nehmen können, wenn er in dieser Situation die Brocken hingeschmissen hätte. Doch an Rücktritt hatte er nach eigenem Bekunden nie gedacht: "Es ging nicht um Markus Schächter, es ging um das ZDF", sagte er damals.

Man muss sich diese Worte ins Gedächtnis rufen, wenn der Intendant nun erklärt, dass er für eine weitere Amtszeit, es wäre seine dritte, nicht zur Verfügung steht. "Es ist meine persönliche Überzeugung und mein Amtsverständnis, dass Spitzenpositionen in Top-Unternehmen nur in klarer Befristung erfolgreich ausgeübt werden können", sagt er. In seinem Umfeld heißt es, Schächter habe bereits vor mehreren Wochen beschlossen, nicht noch einmal zu kandidieren. Sein Vertrag mit dem ZDF läuft am 14. März 2012 aus. Schächter ist dann 62 Jahre alt. Amtsvorgänger Dieter Stolte war 67, als er nach vier Amtszeiten das ZDF verließ.

Schenkt man einem seiner Vertrauten Glauben, hat sich der Intendant die Entscheidung nicht leicht gemacht, schon nach zehn Jahren zu gehen. Dabei habe er sich "nicht von seiner persönlichen Lebensplanung, sondern von dem Respekt vor dem Amt" leiten lassen. Das klingt etwas pathetisch, entspricht aber dem Muster, nach dem der pfälzische Preuße bisher wichtige Entscheidungen gefällt hat. Eben weil er das ZDF nicht beschädigen wollte, kam für ihn ein Rücktritt nach dem Brender-Desaster nicht infrage. Und weil er sich als treuer Diener seines Senders versteht, hat er 2002 den Posten des Intendanten übernommen.

Denn damals galt Schächter, der 1981 als Referent für Planungsfragen des Kabel- und Satellitenprogramms zum ZDF kam und sich bis zum Programmdirektor hocharbeitete, keineswegs als erste Wahl für die Intendanz. Er war ein Kompromisskandidat, der nur deshalb zum Zug kam, weil der politisch heillos zerstrittene Fernsehrat sich nach monatelangen Beratungen nicht auf vermeintlich bessere Bewerber einigen konnte.

Man war froh, mit Schächter einen gefunden zu haben, der unter diesen Voraussetzungen überhaupt bereit war, den Job zu machen. Aber nicht wenige bezweifelten, dass die Durchsetzungskraft des Neuen ausreichen würde, um das ZDF zu modernisieren und dem Sender den notwendigen harten Sparkurs zu verordnen.

Das war ein gewaltiger Irrtum. So bedauert der Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrats, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), Schächters Entscheidung und ruft ihm hinterher, er habe das ZDF "finanziell auf eine solide Basis gestellt". Neben der Konsolidierung der Senderfinanzen gilt in Mainz die Gründung des lang ersehnten zweiten Kanals ZDF-neo als Schächters größtes Verdienst.

Erst kürzlich erzählte der Vorsitzende des ZDF-Fernsehrats, der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, dem "Spiegel", Schächter habe in dem Gremium "einen stabilen Rückhalt". Mit anderen Worten: Hätte der Intendant noch einmal antreten wollen, wäre ihm die für seine Wiederwahl erforderliche Drei-Fünftel-Mehrheit wohl sicher gewesen. Sein Verhältnis zum unionsgeführten Verwaltungsrat dürfte aber, trotz Becks warmen Worten, seit der Causa Brender dauerhaft belastet sein.

Und noch etwas spricht dafür, dass Schächters Entscheidung im wohlverstandenen Sender-Interesse ist: Mit dem von ihm geförderten Programmdirektor Thomas Bellut steht ein geeigneter Nachfolger bereit. Der promovierte Politikwissenschaftler und gelernte Journalist kam 1984 zum ZDF. Ende 2002 machte Schächter den damaligen Leiter der Hauptredaktion Innenpolitik zum Programmdirektor. Thomas Bellut steht für eine vorsichtige Verjüngung des Programms. Formate wie die Polit-Comedy "heute-show" und die Satiresendung "Neues aus der Anstalt" gehen auf sein Konto.

Mit seinen 55 Jahren ist Bellut in einem Alter, in dem er als Intendant noch einiges bewegen kann. Und mit der bevorstehenden Digitalisierung - im kommenden Jahr werden alle analogen Programme abgeschaltet - kommt auf den neuen Intendanten auch viel Arbeit zu.

Ob Bellut für den Job zur Verfügung stände, würde Markus Schächter noch eine Amtszeit dranhängen, ist zweifelhaft. Der Programmdirektor ist auch anderen Sendern aufgefallen. So soll er beim NDR als Nachfolger des ehemaligen Intendanten Jobst Plog im Gespräch gewesen sein.

Ein weiteres Argument für einen Intendanten Bellut ist, dass es sich bei ihm, ebenso wie bei Schächter, um einen moderaten Konservativen handelt. Konservativ muss der Kandidat sein, weil die Union, ebenso wie im Verwaltungsrat, auch im Fernsehrat die Mehrheit stellt. Ein Hardliner kommt aber nicht infrage, da der künftige Intendant wegen der erforderlichen Drei-Fünftel-Mehrheit auch Stimmen der Gremienmitglieder benötigt, die zum sogenannten SPD-nahen roten Freundeskreis zählen. Der Fernsehrat will sich auf seiner Sitzung am 18. Februar auf das Wahlverfahren verständigen.

Eine Garantie dafür, dass am Ende der Kandidat Bellut gewählt wird, gibt es allerdings nicht. Die Inthronisierung eines neuen ZDF-Intendanten kann ein langer, schmerzhafter Prozess sein. Die Umstände, die 2002 letztlich zur Wahl Schächters führten, sind allen Beteiligten noch in unschöner Erinnerung.