Cord Garben spricht über die Wahrheiten großer Pianisten. Los geht es heute mit Chopin

Freie Akademie. "Sie können Ihr blaues Wunder erleben, wenn sie das selbe Stück von zwei verschiedenen Pianisten hören. Das ist manchmal fast so, als wären es zwei verschiedene Werke", sagt Cord Garben - und der muss es wissen: Der frühere Klassikproduzent der Deutschen Grammophon beschäftigt sich seit Dekaden mit den Aufnahmen großer Pianisten.

Dabei macht er erstaunliche Entdeckungen. "Der junge Maurizio Pollini hat zum Beispiel das siebte Chopin-Prélude umgestaltet und alle zwei Takte bis zu einem Viertel verlängert. Dadurch wirkt es plötzlich wie eine Mischung aus Dreier- und Vierertakten." Ganz anders klinge dasselbe Stück unter den Händen Ferruccio Busonis: "Bei ihm wird es zu einer Art Bauerntanz."

Graubereich zwischen künstlerischer Freiheit und willkürlicher Entscheidung

Garben - der als Pianist viele große Sänger begleitet hat - präsentiert seine Beobachtungen in der neuen Reihe "Die 'Wahrheiten' großer Pianisten. Spieltechniken, Tricks, Fehler, Sünden", einer Koproduktion der Hamburger Brahms-Gesellschaft mit der Freien Akademie der Künste. Am ersten Abend steht das Klavierschaffen von Chopin im Mittelpunkt. Wie stark die Interpretationen voneinander abweichen, zeigt Garben anhand verschiedener Beispiele. Auch Grigory Sokolov ist mit von der Partie: "Er nimmt das zweite Chopin-Prélude extrem langsam und gestaltet dieses Kleinod so dramatisch, dass es unter seinen Händen zerbricht." Hier sei der Spielraum eindeutig überschritten. "Wenn der Komponist ein halbtaktiges Alla-breve-Zeitmaß vorschreibt und jemand buchstabiert das in Vierteln - dann ist das einfach falsch."

Oft verschwimmen die Grenzen zwischen interpretatorischer Freiheit und willkürlich wirkenden Entscheidungen. Dieser Graubereich sei aber auch Quell der Faszination. "Es wäre furchtbar, wenn da Computer sitzen würden oder eiskalte, emotionslose Gestalten, die nur etwas exakt umsetzen, was in den Noten steht."

Die "Wahrheiten" großer Pianisten Mi 26.1., 19.30, Freie Akademie der Künste (S/U Hbf.), Klosterwall 23, 10,-/8,-; www.akademie-der-kuenste.de