Das Takács Quartett berührt im Mozartsaal mit Gediegenem

Hamburg. Gibt es eigentlich die richtige Tonhöhe? Nein, keinesfalls, wird der aufstöhnen, der blockflötende Kinder als Nachbarn hat. Zweifellos tröten jede Menge grottenfalscher Töne durch unseren Alltag, wie die eindeutigen Fälle im Musikerjargon heißen. Aber interessant wird es da, wo die Meinungen über das Richtige auseinandergehen. Nicht erst seit Bachs Wohltemperiertem Klavier verzweigen sich die Stimmungssysteme munter.

Das Takács Quartett hat im Mozartsaal gerade eindrücklich vorgeführt, wie sehr Streichquartettspiel dem Zeitgeschmack unterliegt: von der Klanggebung über Phrasierungs- und Tempofragen eben bis hin zur Intonation, von der man doch meinen sollte, sie liege fest, weil physikalisch messbar. Über dem ganzen Abend lag der Charme einer heiß geliebten, vom häufigen Abspielen schon etwas knisternden Langspielplatte.

Das begann mit Joseph Haydns Quartett D-Dur op. 71 Nr. 2: Wie weinroter Samt klang das Ensemble, 1975 in Budapest gegründet, die Proportionen zwischen dem Grundzeitmaß und den halsbrecherischen Dreiklangskaskaden in der ersten Geige wirkten sorgfältig abgewogen. Bei diesem schlüssigen Konzept hörten selbst an heutige, historisch informierte Intonation gewöhnte Ohren nach der ersten Überraschung darüber hinweg, dass Edward Dusinbierre an der ersten Geige dem Ideal der sogenannten Spaltintonation frönte und sich stets am oberen Rand des Möglichen bewegte. Zugleich intonierte das Ensemble, federnd getragen vom Cellisten András Fejér, so blitzsauber, als wollten die Musiker sagen: Hört her, welche Bedeutung die Stimmung für die musikalische Aussage hat! Hinreißend zärtlich geriet ihnen das Trio des Menuetts - und selbst Unisonostellen im fortissimo behielten ihre Grazie.

Besonders deutlich trat das Rhetorische an ihrem Spiel bei Béla Bartóks hochverdichtetem Drittem Streichquartett zutage. Ob es an den gemeinsamen ungarischen Wurzeln liegt, darüber kann man nur spekulieren - aber es war schlicht beglückend zu erleben, wie sie noch die entrücktesten Spezialeffekte mit Sinn erfüllten. Jedes Glissando war genau platziert, die raffiniert sprachnahen schrägen Notenwerte ergaben Seufzer oder auch ganze Debatten. Und das Ganze boten sie in einer tonlichen Eleganz, der nie etwas Beliebiges innewohnte.

Den romantischen Schluss dieses wahrhaft k.u.k Abends machte das Erste Streichquartett des Böhmen Bedrich Smetana. Von den augenzwinkernd gestauten Tanzschritten bis zum erschütternden Aufschrei der ersten Geige im letzten Satz erzählten sie "Aus meinem Leben", wie das Werk heißt: hörbar atmend und mit Mut zum Materialgeräusch. Wunderbar analog.