Die Metal-Doku “Until The Light Takes Us“ ist zu unkritisch

Dass junge Menschen sich wild gebärden, ist ein zentrales Element der Rockgeschichte. Dass sie die Alten damit nerven, manchmal gar mächtig erschrecken, auch. Aber im Norwegen der frühen Neunzigerjahre entwickelte der musikalische Aufstand eine ganz neue Qualität: Hier brannten Kirchen, hier wurde gemordet, und den Soundtrack dazu lieferten Black-Metal-Bands wie Darkthrone, Emperor oder Mayhem. Manche priesen Satan, andere verlegten sich vor allem darauf, den "jüdisch-amerikanischen Einfluss auf die europäische Kultur" zu geißeln, mit einem Malstrom aus Kreischgesang und Hochgeschwingkeitsriffs, manchmal auch mit düster treibenden Ambientsounds.

1998 erschien "Lords Of Chaos", ein ebenso kontroverses wie lesenswertes Buch zum Thema, 2005 näherte sich Regisseur Sam Dunn im Rahmen seiner Doku "Metal - A Headbanger's Journey" dem Phänomen. Und jetzt also "Until The Light Takes Us" von Aaron Aites und Audrey Ewell. Mehr als 15 Jahre nach den Ereignissen, die das beschauliche Norwegen an den Rand der Hysterie trieben, haben sie einige der berüchtigten Protagonisten besucht und lassen sie erzählen. Was einerseits - Authentizität! - eine Stärke ihres Films ist, aber zum Schwachpunkt wird, wenn kritische Nachfragen völlig ausbleiben. Da bekommt Varg Vikernes, bis heute Vorbild des rechtsradikalen Flügels der Black-Metal-Szene, ein Forum, um über die "Amerikanisierung Norwegens" zu schwadronieren, und Mayhem-Drummer Hellhammer zollt sichtlich erfreut einem verurteilten Schwulenmörder Respekt. Dem gegenüber stehen wertvolle historische Aufnahmen. Etwa vom legendären Osloer Plattenladen Helvete (Hölle) oder von frühen Konzerten. Zu sehen sind außerdem interessante Interviewpassagen mit Darkthrone-Mitglied Fenriz, der sich nie als Polit-Aktivist, sondern als (bildender) Künstler sah - und von all den Irren den mit Abstand normalsten Eindruck hinterlässt.

Until The Light Takes Us: 93 Minuten, ab 18 Jahren, Rapid Eye Movies