Er mischt Hip-Hop und zeitgenössischen Tanz: Choreograf Johnny Lloyd feiert heute mit “Funk Ex Machina“ Premiere in der Kampnagelfabrik.

Kampnagel. Wie ein Hip-Hopper sieht Johnny Lloyd nicht aus. Graue Schirmmütze, grauer Mantel. Stylish, aber keine Spur krawallig - die Klub-Klamotten und Klischees der Szene hat der Tänzer und Choreograf in den Dreißigern längst hinter sich gelassen. Hip-Hop betrachtet er als eine Körpertechnik und Kunstform, die ihm entspricht und mit der er sich in seinen Stücken ausdrückt. Kampnagel-Chefdramaturg Andras Siebold hat den Spezialisten für afroamerikanische Tanzformen eingeladen, sich in die Crossover-Produktion von Musik und Tanz mit dem Hamburger Rapper Samy Deluxe und jugendlichen Beat-Boxern einzuklinken. "Funk Ex Machina" nennt Lloyd sein Stück, in dem er auch gemeinsam mit fünf weiteren Tänzern auftritt.

Mit dem Titel spielt der Choreograf auf den Deus ex machina im antiken Drama an. Transportiert von der Theater-Maschinerie erscheint der "Gott" unerwartet am Schluss der Tragödie, um den Helden vor dem endgültigen Untergang zu bewahren. Könnten denn Musik und Tanz die Retter in der Not sein? Lloyd grinst. So weltfern ist auch ein Künstler nicht, um daran zu glauben. Er kennt die Gesetze der Stadt, der Straße, der Subkultur nur zu gut. "Aber vielleicht können wir kleine Wellen des Widerstands in Bewegung setzen, die immer ein bisschen größer werden und beginnen, in Hamburg zu wirken." Wieder lächelt Lloyd freundlich, aber undurchsichtig.

Hip-Hop ist aus der sozialen Rebellion auf der Straße in den schwarzen Slums Amerikas entstanden. "Er hat den Afroamerikanern eine Stimme gegen die Unterdrückung gegeben", erklärt er. "Aber die Gegenkultur hat sich über die Jahre zu einer Kultur entwickelt, die jetzt verbindet", meint Lloyd. "Man begegnet Hip-Hop überall auf der Welt, es ist eine gemeinsame Sprache geworden, die in allen Ländern zu finden ist und die jeder versteht."

Über den Swing hat Lloyd das Tanzen in den Klubs von Los Angeles gelernt und beschäftigt sich seitdem mit der Historie und den Formen des afroamerikanischen Tanzes. Als Sohn vom Missionaren in Bolivien geboren, ist er im kalifornischen Fresno aufgewachsen, als 16-Jähriger zog er nach Los Angeles. Er spielt Trompete, belegte an der Universität Lyrik-Kurse und ist ein fabelhafter Contact Juggler, wie er auch in seinen Hamburger Stücken "Rhythm Instrument" oder als Gast in Choreografien von Angela Guerreiro und Antje Pfundtner demonstrierte. Seit sieben Jahren lebt er in Hamburg, ist aber ständig unterwegs. Als Lindy-Hop-Fachmann gibt er international Workshops in Afrika, Griechenland oder Russland. "Ich bin gern Weltenbummler", bekennt er, " komme aber gern immer wieder nach Hamburg zurück - vor allem, wenn ich eine Produktion erarbeiten darf."

In "Funk Ex Machina" geht es Lloyd um gesellschaftliche Gegensätze: "Die Stadt ist für mich ein System, eine Maschine, die das Individuum dominiert", erklärt der Choreograf. Das von uns geschaffene System drohe uns zu verschlucken. Es wird im Stück durch die Musiker und den Chor verkörpert, gegen die sich die Tänzer auflehnen. Lloyd hat Vertreter der verschiedenen Styles eingeladen. Christian Robozee Zacharas ist wie Lloyd ein Spezialist des Body-Popping; Prince Kwadwo Ofori beherrscht das Krumping und Joel Gläfke die weniger rhythmisch harten, fußbetonten New Styles mit dem Focus auf weichen Flow-Effekten.

Auch Frauen tanzen Hip-Hop, sie haben ihre eigene Körpersprache, ihre eigenen Styles entwickelt. Lotte Schouten zum Beispiel ist eine Schülerin von Lloyd, der als Gastdozent auch im niederländischen Tilburg unterrichtet. Er verbindet Hip-Hop mit zeitgenössischem Tanz zum "Contemporary HipHop", wie Lloyd seine Mischung bezeichnet. "Ich verwende zwar die Techniken von Popping aus der 'Old School' und die neueren Stile", sagt er, "breche aber die Muster mit zeitgenössischen Tanzformen, um über die Hip-Hop-Klischees hinauszukommen."

Funk Ex Machina Mi 19.1., 19.30, Kampnagelfabrik (U Borgweg, Bus 172/173 Jarrestr.), Jarrestr. 20, Karten von 8,- bis 22,-, T. 27 09 49 49