Musikalisches Wachkoma und drangvolle Enge beim Schiller-Konzert in den Fliegenden Bauten. Die Fans waren trotzdem zufrieden.

Hamburg. "Mein Name ist Christopher von Deylen - und ich bin Schiller." "Nein", möchte man ihm quer durchs Zelt zurufen, "bist du nicht! Du bist höchstens Stephenie Meyer!" Denn mit den Vampirschmonzetten der amerikanischen Hausfrau hat die Musik des selbst ernannten Dichterfürsten, die am Montag durch die Fliegenden Bauten tönt, einiges gemein.

Beide haben sehr treue Fans, und zu beiden kann man sich einfach nicht neutral verhalten: Von Deylens Stücke wie Meyers Romane liebt man oder hasst man, zwischendrin ist wenig möglich. Schiller-Fans sprechen von sphärischen Klängen, die einen in eine andere Welt entführen. Seine Kritiker hingegen von wabernden Klangteppichen, die den Gehörgang verkleistern - zu glatt, zu gefällig kommen die Harmonien daher, kein Beat stellt sich quer, kein schroffer Ton stört den Soundtrack zur Traumreise. Und ständig dieselbe Struktur.

Keyboard und Synthesizer setzen ein, darüber legen sich elektronische Trommelklänge. Schicht um Schicht wird der Track aufgebaut, bis zu dem Punkt, wo man gespannt die Beat-Explosion erwartet. Stattdessen erklingt: Bimmelbammelbommel. Ob "Glockenspiel" oder "Playing With Madness", "Ein schöner Tag" oder "Schiller"; Glocken und artverwandte Klänge haben es dem Mann auf der Bühne angetan, man wird das Gefühl nicht los, von einem akustischen Wattebausch ins Delirium geprügelt zu werden.

Musikalisches Wachkoma scheint ohnehin das erklärte Ziel dieser Tour zu sein. In Reih und Glied sitzen die Fans, nur so traut man ihnen zu, die fernen "Klangwelten" zu erreichen. Und Mobiliar gibt es genug. Das Zelt ist von hinten bis vorne bestuhlt, man sitzt seinem Nachbarn fast auf dem Schoß. Stehenden Fußes wäre die Enge zu ertragen gewesen, bei einem ausverkauften Konzert stößt man schließlich öfter aneinander - und genauso schnell auch wieder auseinander. Das aber ist unmöglich, wenn man zusammengepfercht nebeneinander sitzt. Von hinten und links wippen Füße mit (beide nicht im Takt), von rechts bohrt sich die Tischkante in die Rippen, und wenn ein Stück endet, besteht die Gefahr, vom enthusiastisch applaudierenden Nachbarn erschlagen zu werden.

Von Deylen lächelt entrückt, nur ab und zu schaut er erstaunt auf, wenn es laut wird im Rund. Das Publikum ist weit entfernt vom Dämmerzustand. Die gesamten zwei Stunden über lauscht es andächtig, klatscht, jubelt und spendet am Ende Standing Ovations. Nur der von allen Seiten bedrängte Kritiker ertappt sich dabei, wie ihn synthetisierte Walgesänge beflügeln, und dann träumt er - von Dichterfürsten mit Vampirzähnen.