In der Ausstellung “When Saturday Comes“ im Kunstverein geht es um die politische Dimension des schönen Spiels.

Kunstverein. Fußballfreunde mögen sich noch wehmütig an Zeiten erinnern, als der Sonnabend kam. Ein unisones Crescendo an Gleichzeitigkeit im Fußball, ein Gewitter an Lattenschüssen, Bananenflanken und Rückfallziehern entlud sich damals in den Stadien der Nation. Heute ist das alles entschleunigt, mühsam zieht sich das Rasengeschehen von Freitag bis Montag in die Länge. An diesen legendären Fußballsonnabend, mehr symbolisch als wortwörtlich gemeint, erinnert jetzt der Kunstverein.

"When Saturday comes" zeigt in einer zweiteiligen Ausstellung Neon-Arbeiten der Frankfurter Künstlerin Silke Wagner. Seit Kurzem ist der erste Teil eröffnet, eine schwarze Kammer voll mit bunten Neonlichtern, die den Fußball dort ausleuchten, wo er politisch-soziale Brisanz zeigt. Was etwa signalisiert die Jahreszahl 1942 auf dem Trikot eines Fußballers? Eine Meisterschaft? Ein gewonnenes Finale? Es ist das Jahr - Eingeweihte wissen es -, in das eines der grausamsten Kaptitel der deutschen Fußballgeschichte fällt: das "Todesmatch". In Kiew hatte damals eine gesundheitlich angeschlagene Fußballelf ein von den deutschen Besatzern gestattetes Turnier dominiert. Die aus Ex-Aktiven aufgebaute Mannschaft führte schon bald die Tabelle an und sollte zum Abschluss nun gegen die kraftstrotzende Flak-Elf der deutschen Luftwaffe antreten. Eine ungleiche Begegnung mit einem sicher geglaubten Ergebnis, das aber nicht eintraf, auch weil die Deutschen nicht von der hochkarätigen Besetzung ihres Gegners wussten. Gleich zweimal verloren sie trotz eines gegen die Ukrainer eingesetzten SS-Schiedsrichters. Deren Rache fiel grausam aus. Die Gestapo verfrachtete die siegreiche Elf postwendend ins Lager. Einer von ihnen wurde zu Tode gequält, drei weitere ließen ihr Leben im Zuge eines späteren Vergeltungsschlages der Deutschen.

Mit zwei weiteren Arbeiten holt Silke Wagner auch den argentinischen Fußball in den Kunstverein. Zwei betende Hände, eine weiß, die andere blau, beide in Dürer-Format, dürften schnell zu entschlüsseln sein. Maradona und seine Hand Gottes lassen grüßen. Schließlich erinnert das Porträt von Cesar Luis Menotti daran, dass der argentinische Weltmeistertrainer von 1978 dem Diktator General Jorge Rafael Videla den Handschlag verweigerte.

Das war eine symbolische Geste, in einem von Terror und Folter dominierten Land, aber auch ein Kompromiss Menottis, der die Weltmeisterschaft in Wissen der politischen Verhältnisse mitgemacht hatte. Sport macht Politik und Politik bemächtigt sich des Sports, diese spätestens mit der römischen "Brot und Spiele"-Devise unauflösbare Allianz beider Seiten motiviert Silke Wagners Ausflug in die Regionen des Fußballs. Zu einer seiner Stationen zählt auch das Porträt des britischen Fußballspielers Justin Fashanu, der sich 1990 unter massivem Druck der Öffentlichkeit als schwul outete. Ein bislang einmaliger Fall für einen aktiven Fußballer, den Fashanu schon vor seinem Outing mit seiner Entlassung aus dem Verein bezahlte. Später sogar mit seinem Leben, als gegen ihn immer mehr Anschuldigungen, unter anderem der Vergewaltigung, erhoben wurden und Fashanu den Freitod wählte.

Auch wenn Silke Wagner sich bereits vor mehr als zehn Jahren künstlerisch mit Fußball beschäftigte, ist ihr politisches Engagement keineswegs auf den Sport beschränkt. Eine weitere Ausstellung des Kunstvereins, "Freedom for Speech" stellt ihr Deportation Class-Auto aus (2001/02), ein VW-Bus, der in Beschriftung, Farbgebung und Logo gezielt die Optik eines Lufthansa-Shuttlebusses aufnimmt. Mit ihm spielte Wagner unter anderem auf die damals offizielle Abschiebepolitik an und heimste sich vor allem aufgrund des Begriffs "Deportation" eine einstweilige Verfügung seitens der Fluggesellschaft ein. Ohne Erfolg jedoch für die Luftlinie. Die Verfügung wurde aufgehoben und der Bus unter den Schutz künstlerischer Meinungsfreiheit gestellt. Mit weiteren sozio-politischen Ereignissen setzt der zweite Teil der Ausstellung von Wagner ab 26. Februar ein.

Silke Wagner: "When Saturday Comes", bis 20. Februar 2011, Kunstverein (U Steinstraße), Klosterwall 23, Di-So 12.00-18.00. 31.12.2010 und 1.1.2011 geschlossen, www.kunstverein.de