Mit “Breathing Shakespeare and Yun“ beginnt heute eine Reihe ungewöhnlicher Musik- und Theaterproduktionen in der Feldstraße.

Medienbunker. Ein Konzert nur für Sprechstimme und Flöte: Karger geht's kaum. Dennoch könnte, was heute Abend unter dem Titel "Breathing Shakespeare and Yun" über die Bühne im vierten Stock des Bunkers in der Feldstraße geht, lebensumfassender nicht sein. Schließlich verhandelt William Shakespeare in seinen Sonetten Menschheitsthemen wie Liebe, Verrat und Ewigkeit.

Beim "Bunkerrauschen" treffen diese Sonette auf Solowerke für Querflöte von dem koreanisch-deutschen Komponisten Isang Yun (1917-1995). Die große schottisch-amerikanische Shakespeare-Interpretin Kristin Linklater trifft auf den Flötisten Michael Gonschorek, Stimme auf Flöte. "Bei beiden geht Atem in Klang über", sagt Michael Petermann, der das Konzert konzipiert hat. "Die Flöte ist der menschlichen Stimme von allen Musikinstrumenten am nächsten."

Petermann ist nicht nur Cembalist, Organist und Komponist, beim "Bunkerrauschen" ist er auch noch sein eigener Dramaturg und Geschäftsführer. Seit 2005 gestalten Petermann und seine Formation Weisser Rausch unter diesem Label höchst eigenwillige Musik- und Theaterprojekte.

Diese Saison hat sich das "Bunkerrauschen" zu einer Reihe gemausert. "Zugrunde lag die Idee des Hauskonzerts", erzählt Petermann. "Der Bunker ist zwar keine Villa, aber die Atmosphäre bei uns ist ähnlich: Ich stelle das Programm kurz vor, und hinterher gibt es ein kleines Buffet."

Dabei machen die Künstler weder vor Genre- noch vor Epochengrenzen halt. Ein Motto hat Petermann zwar für die einzelnen Konzerte, aber nicht für die ganze Reihe: "Das würde mich zu sehr einengen." Kein Wunder bei der Leichtigkeit, mit der er seine sprühenden Ideen zu Konzepten formt und diese beständig fortentwickelt.

Sein "Ave Bach" etwa, eine trancehafte Computermontage von Bachs C-Dur-Präludium, hat er um eine Performance der Lichtkünstlerin Katrin Bethge erweitert. Wie Stoffmuster, Styroporkugeln oder Natron über den Overheadprojektor zu einer bewegten Welt werden und mit den Klängen von "Ave Bach" verschmelzen, ist am 14. Mai in St. Jacobi zu erleben.

Bach ist Dreh- und Angelpunkt in Petermanns Schaffen, immerhin hat er mal als Kirchenmusiker angefangen. In dem musikalischen Gerichtsverfahren "In Sachen Bach ./. Händel ./. Telemann" begibt er sich mit dem Flötisten Michael Gonschorek auf die Spuren der großen drei, die unbekümmert voneinander abschrieben (29./30.5.). Und "Der internationale Bach" (26./27.6.) führt vor, wie kunstvoll Bach in seinem Werk Musikstile aus ganz Europa verschmolz, obgleich er Zeit seines Lebens Norddeutschland nie verlassen hat.

Es muss also nicht immer Avantgarde sein. Aber oft. "Schatten aus dem Lautsprecher" werfen etwa die Komponisten Pierre Boulez und Steve Reich, wenn es um Playback geht. Bei Reichs New York Counterpoint ist der Klarinettist Michael Wagener zwölfmal gleichzeitig zu hören - elf Stimmen werden vorproduziert. Die Sopranistin Frauke Aulbert bestreitet solissima den Abend "Stimmkünstlerin allein im Bunker" (10./11.4.), das Ensemble ElbtonalPercussion bittet am 27. und 28. Februar zum Crossover-Programm. Und Petermanns "Blödes Orchester" aus ausgedienten Staubsaugern, Föhnen und stufenlos verstellbaren Mixern zieht gleich für drei Monate ins Museum für Kunst und Gewerbe (11.2. bis 30.4.).

Geradezu bürgerlich geht es bei den Klavierabenden zu - aber immer mit Hintersinn: Das französische Programm von Yannael Quenel nennt sich "Albträumerei" (6./7.2.), und Stefan Matthewes spielt am 27. und 28. März "Himmlische Längen ohne Ende", nämlich Schubert-Fragmente. "Dieses Gerede vom Unvollendeten, das ist mir viel zu heilig", sagt Petermann. "Schubert hatte so viel in der Schublade, der hat manche Sachen einfach vergessen."

Das ist nicht die einzige Erkenntnis, die Petermann seinem Publikum mit auf den Weg gibt. "Die Leute schätzen spielerische, aber niveauvolle Musikvermittlung", sagt er, und die Zahl der Besucher gibt ihm recht. Damit die Reihe sich trägt, müsste allerdings jedes Konzert fünf- oder sechsmal stattfinden. Städtische Zuschüsse hat Petermann seit Jahren nicht beantragt - "das hat keinen Sinn". Er hat private Förderer. Oder besser Mäzene: "Weisser Rausch ist eine logo- und werbefreie Zone", sagt er energisch.

Breathing Shakespeare and Yun: heute, 20.00, Medienbunker (U Feldstraße), Feldstraße 66, Karten 16,90 an der Abendkasse, www.weisserrausch.de