Der ansonsten versierte Erzähler Peter Prange wird in seinem historischen Schinken “Himmelsdiebe“ dem Stoff nicht gerecht

Peter Prange kennt die Zutaten genau und hat in seinen historischen Romanen bisher aufs Beste bewiesen, dass er auch ein Händchen für die richtige Mischung hat: Geschichte verträgt sich mit einem guten Schuss Unterhaltung, Alltagsphilosophie wird reichlich mit Gefühl unterfüttert, und die illustren Schauplätze bieten etwas fürs innere Auge. Bereits in seinem ersten Roman "Das Bernstein-Amulett", der am Beispiel einer Familie die bewegende Geschichte des zweigeteilten Deutschlands vom Ende des Krieges bis zum Fall der Mauer erzählt, führte dieses Rezept zu einem großen Erfolg.

Historische Tatsachen liefern auch den Stoff für Pranges Weltenbauer-Trilogie, deren erster Band "Die Principessa" 2002 erschien. Aus dem Blickwinkel einer jungen Engländerin erzählt Prange von den beiden bedeutenden Künstlern im Rom des 17. Jahrhunderts, von Lorenzo Bernini und Francesco Borromini. Der zweite Teil mit dem Titel "Die Philosophin" führt nach Frankreich, in die Zeit der Aufklärung und zu einem ambitionierten Buchereignis, zu Denis Diderot und seiner Enzyklopädie. Und wiederum ein Jahrhundert später spielt der letzte Band der Trilogie, "Die Rebellin". Im Zentrum steht die erste Weltausstellung in London im Jahr 1851.

Prange behandelt in seinen Stoffen die großen universellen Themen

In seinen stets umfangreichen Romanen, zu denen auch "Der letzte Harem" und "Die Gottessucherin" gehören, erzählt der 1955 geborene Autor mit farbenprächtiger Opulenz und ausschweifender Lust von ungewöhnlichen Menschen in besonderen Situationen, wobei im Zentrum der Geschichten immer eine große Idee steht. In der Trilogie sind es universelle Themen wie Kunst, Wissenschaft und Technik. Prange versteht es, Historie emotional erfahrbar zu machen und auf sehr unterhaltsame und spannende Weise Geschichtsunterricht zu erteilen.

Nun hat er diese bewährte Methode auf "die Geschichte einer Jahrhundertliebe" anzuwenden versucht, wie der Autor in seiner Nachbemerkung zum neuen Roman "Himmelsdiebe" notiert. Was er beim Schreiben im Sinn hatte und Ziel dieser Anstrengung war, erfahren wir bedauerlicherweise nicht bei der Lektüre der 500 Romanseiten, sondern lediglich aus dieser Autorennotiz, nämlich "die Geschichte zweier Menschen, die mit ihrer Liebe und ihrer Kunst das Licht der Menschlichkeit am Leben erhielten, in einer der finstersten Epochen Europas zu erzählen".

Die beiden Menschen heißen Harry Winter und Laura Paddington. Sie sind Künstler. Er hat sich längst einen Namen gemacht als Vertreter des Surrealismus und des Dadaismus, sie ist eine junge Kunststudentin. Schauplätze sind London, Paris, Marseille, Lissabon und New York. Der zeitliche Rahmen umfasst die Jahre von 1937 bis 1955.

Es könnte also ein Künstlerroman sein, der auch eine Liebesgeschichte erzählt. Aber der Roman überzeugt weder im einen noch im anderen Genre. Die Krux liegt vielleicht darin, dass allzu große und bedeutungsgeladene Vorbilder für diese Romanfiguren Pate standen, nämlich der deutsche Maler Max Ernst und die englische Künstlerin Leonora Carrington, wiewohl deren Namen, wohl aus juristischen Gründen, kein einziges Mal genannt werden.

Die männliche Hauptfigur ist als regelrechter Kotzbrocken angelegt

Der schwierigen und tragischen Beziehung der beiden exzentrischen Charaktere schreibt Peter Prange hinterher, ohne glaubhaft zu vermitteln, worin das Besondere dieser Verbindung zu sehen ist. Seinen Harry Winter gestaltet Prange als Kotzbrocken par excellence, der er wohl auch war. Aber worin bestand das Faszinosum?

Seine Laura Paddington gerät ihm ausschließlich zur tragischen und bedauernswerten Figur, als dass sie tatsächlich Ähnlichkeit hätte mit jener surrealistischen Künstlerin, zu der Leonora Carrington wurde, nachdem sie knapp zwanzigjährig dem doppelt so alten Max Ernst nach Paris gefolgt war.

Erhellendes erfahren wir auch nicht über die Aussagekraft der Kunst der beiden, kaum etwas über Ideen und Konzeptionen. Die Figuren, auch die am Rande, bleiben papieren, sind eher Behauptung als mit Leben erfüllt. Und deshalb interessiert man sich nicht für deren Belange, nicht für ihr Glück und auch nicht für das Unglück. Das Ausschweifende der Erzählung wirkt hier nicht lustvoll, sondern lähmend, und die erotischen Szenen erscheinen hier geradezu degoutant. Auch einem versierten Autor wie Peter Prange, der seine Gestaltungskraft in mehreren Romanen bewiesen hat, kann es passieren, dass er seinem Stoff nicht gerecht wird. Das ist vielleicht mehr als ein Beinbruch, aber sicherlich keine unüberwindbare Hürde für das nächste Buch.

Peter Prange: "Himmelsdiebe". Pendo bei Piper. 512 Seiten, 19,95 Euro