Wo es über weite Strecken des Jahres so heiß ist wie in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi, spielt sich ein großer Teil des Lebens auf der Straße ab, und die privaten Räume werden so weit geöffnet, dass sie fast öffentlich werden. "Public private Hanoi" heißt ein Bildband des Hamburger Fotografen André Lützen, den er während zweier Aufenthalte fotografiert hat.

Lützen zeigt das echte, nicht das Tourismus-Hanoi: in der Bausubstanz heruntergekommene Viertel, aber mit weitgehend intakter Sozialstruktur. Überraschende, ehrliche Einblicke in das Alltagsleben, in das ihn die Bewohner dank der Vermittlung eines Dolmetschers ein paar Schritte weiter hineinschauen ließen, als sie es sonst mögen.

Wenn ein Motorroller abends ins Wohnzimmer geholt wird, erzählen die Bilder Geschichten vom bescheidenen, aber wachsenden Wohlstand. Von verblassenden sozialistischen Idolen und einer versinkenden Kriegsgeschichte. Von unaufhaltsam vordringenden Schnellstraßen und Platzmangel in uralten Provisorien. Vom Leben in der schmalen Grenzzone zwischen öffentlich und privat.

André Lützen: "Public private Hanoi". Mit einem Essay von Nora Luttmer. Kehrer, 2010. 40 Euro