Sir Neville Marriner und seine Academy of Saint Martin in the Fields begeisterten mit noch nie gehörten Akzenten in der Laeiszhalle.

Hamburg. Sir Neville Marriner marschiert strammen Schrittes aufs Podium. 85 Jahre ist er jung, die man ihm weder ansieht noch glauben möchte. Er leitet das Orchester mit jugendlich federnder Energie durch Hector Berlioz' spielerisch-freche Ouvertüre zu "Béatrice et Bénédict". Und alle Qualitäten, die sich die Academy in den vergangenen 52 Jahren erarbeitet hat, sind auf einen Schlag präsent: die klare und schlackenfreie Tongebung, der schlanke, gänzlich unwattierte Gesamtklang - und Tempi, die Sentimentalitäten gar nicht erst aufkommen lassen. In großer Besetzung auf Tour, spielt die Academy of Saint Martin in the Fields ihre symphonischen Stärken aus.

Dann aber Mozarts Klavierkonzert Nr. 25 in C-Dur, kleine Besetzung. Die Academy packt großartig perlende und dabei zurückhaltende Eleganz in die Begleitung. Der Solist des Abends hat es verdient. Martin Helmchen, 28 Jahre alt, kriecht geradezu in die Noten, man spürt den Willen, jeden einzelnen Ton gesondert zu gestalten, ihn klingen zu lassen und ihm träumerisch nachzuhören. Helmchen spielt mit unendlicher Intensität, lässt die lyrischen Passagen singen, arbeitet aber auch Überraschungen und Brüche in den Ecksätzen penibel heraus. Sein Mozart klingt, als hätte man altes Silber frisch geputzt, damit es wieder strahlt und funkelt - ganz unprätentiöse Interpretationskraft, der sich die Academy mit Marriner freudig unterordnet.

Großer Applaus und ein langsamer Sonatensatz von Mozart als Zugabe - ein tief gefühlter, melancholischer Moment, auch er geprägt von etlichen so bislang noch nie gehörten, überraschenden Akzenten.

Dvoraks 7. Symphonie zum Schluss. Marriner verlangt seinen Musikern kein Schwelgen in slawischer Schicksalsverlorenheit ab. Dieser Dvorak bleibt erdverbunden, immer in der Nähe von Tänzen, von Naturklängen; das große Drama, Freiheitssehnsüchte und schmerzvolle Gedanken werden fast schon en passant inszeniert, leicht, schwingend, voller vorwärts drängender Energie. Academy of Saint Martin in the Fields pur, und man ahnt, was einmal das Revolutionäre an dieser eleganten Spielweise gewesen ist.

Das Hamburger Publikum in der bis in die Ränge hinauf sehr gut besetzten Laeiszhalle ist jedenfalls begeistert. Noch eine Zugabe - und alle hoffen, dass Neville Marriner seinen Abschied, der werbewirksam für dieses Konzert angekündigt war, der aber angesichts seines Elans doch recht unwahrscheinlich erscheint, noch um einige Jahre hinausschiebt.