Das Satireduo Stermann & Grissemann schreckt in der “Deutschen Kochschau 3.0“ vor keiner Bösartigkeit zurück

Fliegende Bauten. Was noch lustig ist und was schon böse, entscheidet der Betrachter. Ein Allgemeinplatz, zugegeben. Aber einer, über den es sich nachzudenken lohnt: Was macht die Faszination aus, was ist lustig daran, wenn auf der Bühne mit Genuss Geschmacksgrenzen durch- und Tabus aufgebrochen werden? Warum lachen wir über Pointen, die sich am Diktum Tucholskys orientieren? Der beantwortete die Frage danach, was die Satire dürfe, 1919 noch ganz eindeutig: "Alles."

Wir lachen zum einen, weil es etwas Befreiendes haben kann, jemandem dabei zuzusehen, wie er sich über Konventionen hinwegsetzt. Zum anderen weil gute Satire sich Gegner sucht und deren Schwächen attackiert: mal mit dem Florett, mal mit dem Beil, aber immer mit dem Ziel, nicht nur zu unterhalten, sondern auch aufmerksam zu machen. Auf äußerliche Missstände und auf die blinden Flecken im eigenen Kopf.

Der von Tucholsky ausgestellte Freifahrtschein erscheint - gut 90 Jahre später - zwar problematisch. Trotzdem darf man über Hitler lachen, über Goebbels, Göring und Himmler. Unter bestimmten Voraussetzungen.

Wenn sich Komiker wie das deutsch-österreichische Duo Stermann & Grissemann in ihrer "Deutschen Kochschau" dem Duktus und dem Vokabular der Nationalsozialisten nähern, nehmen sie Floskeln und Begriffe des Dritten Reichs auf und überhöhen sie dermaßen, dass die Banalität, das Lächerliche dahinter sichtbar werden. Die Lust am absurden Sprachspiel äußert sich dann in Fragen wie der des Innsbruckers Christoph Grissemann an sein Duisburger Gegenüber: "Wollt ihr das kleine Sieb? Oder wollt ihr das totale Sieb?!" Da kann einem das Lachen zwar im Hals stecken bleiben - muss es aber nicht.

Begreift man die polemische Auseinandersetzung mit alten und neuen Nazis nicht als Selbstzweck oder gar Respektlosigkeit gegenüber den Opfern, sondern als Angriff auf die Hülsenhaftigkeit, Engstirnigkeit und Gefährlichkeit der "Weltsicht" und des Vokabulars der Ewiggestrigen, dann darf man auch über "Saft durch Freude" lachen. Aber man muss es nicht. Es ist ein Vorrecht der Satire, schmerzhaft sein zu dürfen - nicht nur für den Gegner, sondern auch für das Publikum. Es ist aber auch das Recht des Zuschauers, Provokantes nicht statthaft finden zu dürfen. Ganz ähnlich wie Walter Moers in seinen "Adolf"-Comics verfolgt auch das österreichische Duo ein Ziel: die Provokation.

Das zeigen auch andere Sketche von Dirk Stermann und Christoph Grissemann, die in Österreich längst ihre eigene Fernsehshow haben, in Deutschland hingegen vor allem durch das Videoportal YouTube bekannt sind: Da gibt es die Fleischerei "Dackelblut", die sich ganz der Verarbeitung des besten Freundes des Menschen widmet oder das Bewerbungsvideo zu "Upperaustria's next Weihbischof". Das ewige Hickhack zwischen "Piefkes" und "Ösis" bietet ebenfalls reichhaltiges Potenzial, an dem die beiden sich mit Genuss abarbeiten. Beispielsweise wenn Grissemann den Wahlwiener Stermann als Aushilfs-Eisbären Knut in den Alpenzoo sperrt. Nicht einmal vor der eigenen Zunft schrecken sie zurück: Auf dem "Kabarettistenstrich" schicken sie einen Freier, der sich Witze "ohne", also ohne Pointe wünscht, unter lautstarken Verwünschungen zu einem Kollegen. Und auch Rezepte, die nicht aus dem Kochbuch der Reichskanzlei stammen, servieren sie gerne, wenn sie als völlig überdrehte Fernsehköche Andi & Alex "Leberwurstbrotsuppe" oder "Fischaugerl mit Vogelsalat" zubereiten und so die TV-Nachmittagsunterhaltung erschreckend realistisch parodieren.

Die Grenzen zwischen Satire, intelligenter Comedy und Holzhammer-Klamauk sind nicht immer klar zu ziehen. Trotzdem: Wenn man bereit ist, sich auf einen Abend einzulassen, an dem die eigenen Grenzen belastet werden, an dem der Respekt vor Political Correctness zugunsten von gelungenen Pointen in den Hintergrund treten muss - dann sollte man die Chance zum Besuch der wahrhaft wahnwitzigen (Wahl-)Österreicher nutzen. Denn hinter den Scherzen des Duos steht zwar oft die schiere Lust am Tabubruch und am Absurden. Aber ihre Ziele verlieren sie nur selten aus dem Blick.

Das wiegt alle Bösartigkeit auf, und man darf befreit auflachen, wenn Grissemann einen "Ernst-Röhm-Topf" in den Ofen schiebt.

Stermann & Grissemann - Die Deutsche Kochschau 3.0 Mi 12.1., 20.00, Fliegende Bauten (U St. Pauli), Glacischaussee 4, Karten ab 24,90 an der Abendkasse; www.stermann-grissemann.at