Drei Lesungen sind am heutigen Dienstag in der Stadt zu erleben. Und das Abendblatt verlost Karten für den ausverkauften Abend mit Sophie Rois.

Buchhandlung Felix Jud. Ob auf der Bühne oder in der Literatur: Aufsässige, eigenwillige oder gefährdete Frauenfiguren sind für die Ausnahmeschauspielerin Sophie Rois eine Herzensangelegenheit. Die Berliner Volksbühnen-Diva, die gerade in Tom Tykwers cineastischer Ménage-à-trois "Drei" von sich reden macht , hat nun mal eine Schwäche für erotische und künstlerische Passionen.

Auch die Schriftstellerin, Malerin und Zeichnerin Unica Zürn durchlitt Hochs und Tiefs auf ihrem Schaffens- und Lebensweg. Nora Bertha Ruth Zürn, geboren am 6. Juli 1916 in Berlin-Grunewald, ist zuerst Cutterin bei der Ufa und Werbefilmdramaturgin. Sie begegnet 1953 dem Künstler Hans Bellmer, mit dem sie bis zu ihrem Selbstmord 1970 in Paris eine durch Kreativität, Trennungskrisen und Krankheitsschübe geprägte Beziehung unterhält. Zürn folgt Bellmer nach Paris, wo erste Anagramme entstehen. Ein Jahr nach ihrer ersten Begegnung kehrt sie mit ihm für einige Monate nach Berlin zurück, wo die "Hexentexte" im Springer Verlag Berlin erscheinen.

Zürn erwägt, mit dem Schreiben aufzuhören und zur Malerei zu wechseln. Ausstellungen folgen, sie lernt die Surrealisten Max Ernst, Man Ray und André Breton kennen. Im Jahr 1958 erscheinen "Das Haus der Krankheiten" und weitere Anagramme - wortspielerische Texte mit vertauschten Buchstaben, Silben oder Wörtern. Bellmer veröffentlicht von ihr eine Aktfotoserie mit Verschnürungen, zeigt erstmals "Die Puppe".

1960 kommt Unica Zürn nach einer erneuten Trennung von Bellmer nach Berlin zurück und wird im Oktober in die Nervenklinik Karl-Bonhöffer-Heilstätten eingeliefert. Sie reist nach Paris zurück, stellt aus und schreibt - zwischen oder bei Klinikaufenthalten - "Der Mann im Jasmin" (1965), die "Katzengeschichten" und "Dunkler Frühling" (1969). Für etliche Literaturwissenschaftler Grund genug, Zürns schriftstellerisches Werk in die Krankheitsecke abzuschieben.

Die von der Literaturwissenschaft lange verkannte Verfasserin von Anagrammen und Prosa würdigt eine bibliophile Werksausgabe in acht Bänden, herausgegeben von Günter Bose und Erich Brinkmann. Gefördert von der Martha-Pulvermacher-Stiftung, sind die türkisfarben gebundenen Bücher im Berliner Verlag Brinkmann & Bose erschienen und auch einzeln erhältlich (Gesamtpreis: 241 Euro). Zürns "Alben - Bücher und Zeichenhefte" sind gesondert aufgelegt (120 Euro).

Die Literaturkritikerin Iris Radisch nannte die Zürn-Ausgabe in der "Zeit" eine editorische Heldentat. Und einen schönen Grund, "der Autorin einen halben Meter Platz in der deutschen Literaturgeschichte einzuräumen".

Die Lesung mit Sophie Rois ist ausverkauft - aber für Literaturbegeisterte der leichteren und spontanen Lebensart bietet sich ein Kontrastprogramm zum eingeschworenen Zürn-Zirkel an. Musik und Literatur bieten Andreas Greve und Lars Peters - bekannt für seine Kriminalrevuen mit Vokalkünstlern und Telefonromane mit Thalia-Schauspielern - gemeinsam mit "Janina von und zu rockt" bei "Phase zwo - Vol. 24" im Hafenbahnhof (20 Uhr), Große Elbstraße 276. Der Romancier und Essayist Peters stellt neuere Arbeiten vor. Greve, Cartoonist und Prosaist aus Altona, liest aus seiner Reiseerzählung "Latente Landesflucht" über das Trampen in den 70er-Jahren, die auch musikalisch gestreift werden.

Im Molotow wird ebenfalls die Bar zur Rock-'n'-Roll-Lesebühne: Die Autorengruppe Längs - das sind Thomas Nast, Jörg Schwedler und Liefka Würdemann - lädt zu einer wilden Mischung aus Satire, Comedy und Spoken Word ein. Autoren und Gäste lesen eigene Texte, lustig, politisch unkorrekt, mal moralisch, mal gewissenlos und vor allem: live und laut. Sensibelchen bleiben besser im Bett.

Oder Sie versuchen, Karten für die feinsinnige Unica-Zürn-Lesung von Sophie Rois zu gewinnen. Unter dem Lesungsmotto "Wandeln zwischen den Welten", das Zürns Reisen zwischen Deutschland und Frankreich und ihr rastloses und schöpferisches Schweifen zwischen Wahnsinn und Wirklichkeit thematisiert, sind für zwei Abendblatt-Leser Plätze reserviert.

Wer bei der Lesung dabei sein will, schickt heute bis 14 Uhr eine E-Mail mit dem Betreff "Unica Zürn" an action@abendblatt.de und gibt seinen Namen und Telefonnummer an. Die Gewinner des Doppeltickets werden bis 16 Uhr telefonisch benachrichtigt; beide müssen sich am Abend in der Buchhandlung ausweisen können. Viel Glück.

Sophie Rois liest Unica Zürn , heute, 19.00, Buchhandlung Felix Jud (U Jungfernstieg), Neuer Wall 13

Phase zwo - Literatur & Musik Vol 24 heute, 20.00, Hafenbahnhof, Große Elbstraße 276;

Längs - Die Rock-'n'-Roll-Lesebühne heute, 20.00, Molotow (U St. Pauli), Spielbudenplatz 5, Vvk. 4,-, Ak. 5,-; www.molotowclub.com