Hamburg. Es ist mehr als die Mischung aus Zahlenmystik und Klangalchemie, die das Klaviertrio zur womöglich attraktivsten Spielform im zeitgenössischen Jazz werden ließ. Seit vor allem das schwedische Trio e.s.t. und der amerikanische Pianist Brad Mehldau vor zehn, 15 Jahren die Kunst der Improvisation auf Klavier, Bass und Schlagzeug aus dem Sperrbezirk des Jazz herausholten, erlebt dieses Bandformat eine faszinierende Verwandlung, sowohl hinsichtlich des Repertoires als auch seiner Zuhörer.

Dass es sich nach wie vor gut als Reflexionsebene der Popmusik eignet, zeigt das Album "Follow The White Rabbit" des israelischen Pianisten Yaron Herman. Der musikalische Spätentwickler, der erst mit 16 das Klavierspielen anfing, covert hier auch Songs von Kurt Cobain und Radiohead, und die klingen bei ihm und seinen Mitspielern Chris Tordini (Bass) und Tommy Crane (Schlagzeug) kaum weniger nach Nirvana oder eben Radiohead unplugged als nach einer gelehrt-sensiblen Neudeutung vermeintlich profanen Songmaterials aus der Hand des mit allen Wassern musikalischer Verkomplizierungsmöglichkeiten gewaschenen Jazzers. Auch Hermans eigene Stücke scheinen eher solchen Vorbildern nachempfunden als dem Great American Songbook.

Hier musizieren Feingeister, die es krachen und im nächsten Moment weinen lassen können. Das Unvorhersehbare, auch das Paradox historisch unbefangenen Geschichtsbewusstseins, macht das Trio zu einer starken Stimme der improvisierten Musik.

Das Yaron Herman Trio klingt mal, als habe sich Chopin ins Jetzt verirrt, mal schwirren die Becken des Trommlers wie heftig geschlagene Gitarrenakkorde einer Rockband. Im rhapsodischen Umgang der Musiker mit Rhythmus weicht der alte, stockfleckig gewordene Imperativ des Swingenmüssens wie ein Stein im Wasser.

Yaron Herman Trio: Follow The White Rabbit (ACT)