Die “Cats“-Premiere bietet zwar perfekte Choreografien und jede Menge Hightech-Spektakel in der Zeltarena, aber ein wenig fehlt die Poesie.

Hamburg. Katzen haben bekanntlich neun Leben. Kein Wunder also, dass Andrew Lloyd Webbers fünfter und genialer Londoner Westend-Musicalstreich "Cats" von 1981 exakt 30 Jahre später Wiederauferstehung feiert - genau wie in der Show die ergraute Glamourkatze Grizabella beim Mondscheinball. Rost hat "Cats" in der Zwischenzeit nicht angesetzt. Im Gegenteil. Die Produzenten Michael Brenner und Maik Klokow haben - getreu ihrem Firmenmotto "Mehr! Entertainment" - richtig rangeklotzt und die Nummernrevue nach T. S. Eliot zum circensischen Hightech-Spektakel in der Zeltarena aufgepeppt. Es funkt und funkelt, blinkt und blitzt, dass es eine Freude ist. Nur gerät die Poesie der Dichtung und Magie der menschlichen Charaktere im Fellkleid bei den akrobatischen und perfekt hingelegten Tanzszenen auf dem Bühnenmüllberg zuweilen ins Hintertreffen.

Eliot lässt im Balladenbuch für Kinder "Old Possum's Book of Practical Cats" komische Charakterskizzen aus der englischen Klassengesellschaft Revue passieren.

Bustopher Jones, mit Silberlöffel im Mund geboren, posiert als kugelrunder Genießer und Snob; das Gumbie-Kammerkätzchen aus der Mittelklasse kokettiert; die getigerten, gerissenen Tagediebe Mungojerry und Rumpelteazer (kess und frech: Marleen de Vries/Tommie Luyben) stibitzen sich durchs Leben; der eitle Casanova-Kater Rum Tum Tugger (Dominik Hees) macht auch dreist Jagd auf die Miezen im Saal.

Doch in Chrissie Cartwrights Regie nach Trevor Nunns und Gilian Lynnes Originalinszenierung bleiben manche Figuren nur imposante Kostüm-Figurinen, weil es den Darstellern an Persönlichkeit oder Stimme fehlt. Martin Bergers weisem Katzen-Salomo Alt Deuteronimus etwa mangelt es an Aura und darstellerischem Gewicht. "Berühr mich!", fleht Masha Karell in ihrem großen Song "Erinnerung", doch das Altersdrama der abgehalfterten Music-Hall-Diva geht nicht wirklich zu Herzen. Und auch die Puccini-Opernparodie in der Piratennummer fällt zwar szenisch aufwendig, doch wenig komisch aus.

Es ist nicht wirklich auszumachen, wem die Unverständlichkeit von Michael Kunzes deutschen Texten - besonders im ersten Teil - anzulasten ist: den Sängern oder Tonmeistern. Der imposante und präsente Erzähler Munkustrap (Jack Rebaldi) artikuliert stets deutlich, auch Barbara Tartaglias Präsentation des senilen Komödianten Gus gelingt glänzend. Desgleichen das musikalisch so süffige wie reißerische Duett von Demeter (Cornelia Waibel) und Bombalurina (Ines Hengl Pirker) über den bösen Mafia-Kater Maccavity.

Jason Winter tanzt das zottelige Biest mit den ausgefahrenen Krallen fabelhaft. Nur noch Mark John Richardsons bleicher, doch alles andere als blasser Zauberer Mr. Mistoffelees toppt den Kollegen an Bravour mit akrobatischen Salti und mehrfachen Pirouetten - gesprungen oder gedreht auf einem Bein. Als Choreografin legt Regisseurin Cartwright den Akzent in der Show auf den Tanz und bietet - Webbers musikalischem Stilmix (Klassik, Swing, Rock) entsprechend - Ballett und geschmeidigen Ausdruckstanz, schmissigen Jazz und Stepp.

Das Zehn-Mann-Orchester dirigiert Heribert Feckler in einem Raum hinter der Bühne, nur über Monitore im Zeltrund von 45 Metern Durchmesser sichtbar für das Ensemble. Es beeindruckt besonders in den perfekt abgestimmten und geschlossenen Gruppenszenen, meistert die Anforderung, gleichzeitig zu singen und zu tanzen.

Letztlich imponiert die Show durch ihre ausgefeilte Technik - in der Inszenierung wie in Aufbau und Anlage der Theaterzelte. 20 Tonnen Technik hängen unter der Kuppel des gut beheizten, von italienischen Ingenieuren konstruierten Viermasters.

Sie ermöglicht nicht nur Howard Eatons raffinierte Lichteffekte und zahlreiche Tricks, auch eine veritable "Himmelfahrt" für Grizabella über den Nebelwolken. Frösteln kann für das Publikum bei der Dynamik, visuellen Opulenz und tänzerischen Power gar nicht erst aufkommen. Es folgte denn auch bereitwillig und beifallfreudig der Bitte der charmanten Jellicle-Bande: "Katzen sind keine Spielzeuge, sie fordern Achtung und Respekt."

Cats bis 6.3., Theaterzelt am Heiligengeistfeld, Karten in den Hamburger-Abendblatt-Ticketshops und unter der Abendblatt-Ticket-Hotline T. 040/30 30 98 98; www.cats.de