Ich sag mal: Bildung ist zum Zauberwort der Politik für morgen geworden. Das wirft Fragen auf

Schland, nun freue dich! Junge Menschen unseres WM-affinen Landes sind ein paar Tabellenplätze vorgerückt. PISA heißt die Tabelle und ist eine Rangliste, eine OECD-Statistik (Programme for International Student Assessment). Sie funktioniert so ähnlich wie der Medaillenspiegel bei den Olympischen Spielen. Und bei PISA haben die deutschen Schüler vor zehn Jahren so bescheiden abgeschnitten, dass unsere sogenannte Wissensgesellschaft unter Schock geraten ist, unter den "PISA-Schock" eben.

Aber bei der jüngsten PISA-Studie haben unsere Fünfzehnjährigen nun wesentlich besser abgeschnitten als bei früheren PISA-Studien und sind ins Mittelfeld der Industrieländer aufgerückt. Jedenfalls in Naturwissenschaften und Mathematik.

Alles wieder im grünen Bereich? Allenfalls dann, wenn "Bildungspolitik" sich an Ranglisten orientiert: Wer einen schlechten Tabellenplatz hat, muss nächstes Mal eben einen besseren erreichen. Die Chinesen und die Koreaner (als Tabellenführer) wissen, wie man das macht: Sie drillen ihre Schüler in den PISA-Fächern. Aber ist das Bildungspolitik?

"Bildung" ist auch bei uns zum Mantra jeder zweiten Bundestagsrede geworden - auch wenn es nur um die berechtigte Forderung geht, Migranten sollten erst einmal anständig Deutsch lernen.

Da muss die Frage erlaubt sein, was die Redner unter "Bildung" verstehen. Vielleicht sollten sie wenigstens mal das Stichwort im Brockhaus nachlesen. Da steht ziemlich am Anfang dieser Satz: "Bildung ist nicht identisch mit Wissensvermittlung ... B. besagt Gewinn oder Gewähr der dem Menschen angemessenen, ihn auszeichnenden Lebensform."

Die Vermittlung von Wissen wird einem heute ja leicht gemacht (nichts gegen Ranga Yogeshwar), sie gehört schon fast zur Unterhaltungsindustrie. Aber was "weiß" man eigentlich, wenn man bei Jauch aus drei oder vier "Multiple-Choice"-Antworten ohne Telefonjoker die richtige wählt? Was hat man dann verstanden?

Wissen aber bedeutet: erkennen, verstehen; eine Antwort auf die Frage geben können, was und warum etwas existiert. Wissen ist immer dort, wo erklärt und verstanden werden kann. Das aber funktioniert nicht ohne ausdauerndes Lesen und nicht ohne die Mühsal des Denkens.

Übrigens teilt uns die jüngste PISA-Studie auch mit, dass in Deutschland der Anteil der Fünfzehnjährigen, deren Lesekompetenz gut bis sehr gut ist, zwischen 2006 und 2009 von fast zehn Prozent auf äußerst magere 7,6 Prozent abgesackt ist.

Ist irgendjemand schockiert?