Der Songwriter und Pop-Tausendsassa Ryan Adams spielt nicht länger mit den Cardinals - und verwertet nun ertragreich Reste zu einem Album.

Er ist bewundernswert, dieser David Ryan Adams, geboren in Jacksonville, North Carolina, auf seinen ersten Vornamen verzichtet er für gewöhnlich. Ryan Adams ist aber sonst kein Meister der Entsagung, überhaupt nicht. Adams ist ein Prachtexemplar eines Menschentyps, den man den Homo ludens nennt: Er will immerzu spielen, wo doch das Hirn, dieser Ort der Vernunft, in den die Leistungsgesellschaft die Gebote des maximalen Erfolgs geträufelt hat, ihm sagen sollte: Lass es sein! Veröffentliche nicht JEDES Jahr eine Platte! Das bringt doch nur schlechte Kritiken ein! Denn auch bei Popkennern gilt: Willst du gelten, mach dich selten.

Die Plattenindustrie, sie versteht das Zusammenspiel von Enthaltsamkeit und Spendierfreude, ist nicht der Freund des selbstverständlich trotzdem besten Songwriters unserer Zeit (mindestens). Doch Ryan Adams hat Songs im Überfluss, weshalb erneut wieder kein Jahr ohne eine Veröffentlichung des Meisters auskommen musste: Pünktlich zum Kehraus 2010 erschien noch fix "III/IV", eine die Arbeitsphase numerisch einteilende und deshalb etwas einfallslos betitelte Doppel-CD von Ryan Adams & The Cardinals.

Die Cardinals waren für eine gewisse Zeit lang die Sidekicks des manisch produktiven Künstlers, der einst mit der Alternative-Country-Band Whiskeytown vier stilprägende Alben aufnahm, ehe er im Jahr 2000 mit "Heartbreaker" seine Solokarriere begann. Seitdem ist Adams, gefühlt zumindest, immer im Studio oder auf Tournee.

Sieben Solo-Alben umfasst die Diskografie des Meisters, fünf weitere hat Adams zusammen mit den Cardinals aufgenommen, dazu kommt eine EP: Der Ausstoß erinnert an die Sechziger, die Boomjahre des Pop, als die Beatles beinah halbjährlich Wegweisendes einspielten und die Popmusik erfanden, die Ryan Adams jetzt belehnt.

Sein Oeuvre deckt die Spielarten des Pop auf bemerkenswerte Weise ab: als hätte Adams aus dem Bestreben nach ästhetischer Mannigfaltigkeit eine Kardinalstugend gemacht. Country, Songwriter, Folk, Pop, Rock 'n' Roll, Heartland Rock, Punk; bei Adams trifft das alles ins Schwarze. Der Mann lässt sich nicht stoppen, alles muss raus. Und weil dem so ist, hat Ryan Adams im Mai vergangenen Jahres sogar eine Metal-Platte im Selbstverlag veröffentlicht.

Die neuen Songs auf "III/IV" sind so neu eigentlich nicht, sie entstammen älteren Aufnahmesessions aus dem Jahr 2007. Damals entstand in Zusammenarbeit mit den Cardinals (zu denen der auch als Solokünstler auftretende Gitarrist Neil Casal zählt) "Easy Tiger", ein lässig eingespieltes Pop-Album, das Adams mit Platz 7 in den US-Albumcharts einen ungewohnten Mainstream-Erfolg bescherte.

Dass damals nicht nur geschmeidige Radiosongs komponiert wurden, zeigt nun der Nachschlag, er versammelt 21 bislang unveröffentlichte Songs. Sie klingen wie zuletzt auch (auf dem Vorgängeralbum "Cardinology" etwa) eher nicht so, als hätte der 36-Jährige im Great American Songbook nach Folk und Country gesucht, sondern nach zeitgenössischem Pop und ungezügeltem Rock, den man bisweilen sogar Post-Punk nennen kann. "Amerikanisch" an ihnen, dann doch, ist der Zug ins Powerpoppige, wie wir ihn von den Replacements kennen.

Zusammengehalten wird diese bei Adams gar nicht unwahrscheinliche Mischung von seiner wie immer unverwechselbaren Stimme. Wahrscheinlich hätten die Stücke, von denen nicht wenige nur knapp zweieinhalb Minuten lang sind, auch auf eine CD gepasst; wie Ausschlussware muten sie jedoch keineswegs an. Im Gegenteil sind Preziosen wie "Ultraviolet Light" und "Happy Birthday" bezwingender als das meiste auf den jüngeren Adams-Platten. Der düster schimmernde Rocker "No" gereichte dagegen jeder Queens-Of-The-Stone-Age-Platte zur Ehre.

Adams arbeitet derzeit übrigens, so ist zu hören, in Los Angeles und New York an neuen Alben. Ein weiteres, "Blackhole", ist bereits fertig. Aufgetreten ist der mit einer bildhübschen Schauspielerin verheiratete Songwriter zuletzt mit seiner Ryan Adams Band. Denn die Cardinals sind fürs Erste Geschichte: Anfang 2009 verließ Adams seine Kompagnons. Seinem Output hat es nicht geschadet.

Ryan Adams: III/IV (Paxam)