Schriftsteller Wolfgang Schömel (“Ohne Maria“, “Die Reinheit des Augenblicks“)

Musik bleibt ein Leben lang von großer Bedeutung, weil sie uns schenkt, was Wörter meist nicht können: die Expressverbindung zu den Gefühlen. Nie aber ist ihre Bedeutung größer als in der Zeit des Erwachsenwerdens. Es gab Schallplatten, die waren viel mehr als das. Ihre Musik öffnete ein neues Seelenzimmer, voll mit Sehnsüchten, für die wir keine Begriffe hatten. Wir saßen und hörten, taten nichts anderes, als dieses geöffnete Zimmer zu besichtigen. Wir schwelgten in Gefühlen, von denen wir nicht wussten, ob wir sie jemals wirklich haben durften. Sie waren größer als das Leben, und sie sind es geblieben. Aber Kunst ist immer größer als das Leben. So muss es sein.

Ein Freund hatte eine von diesen neuartigen Stereoanlagen. Fast jeden Abend trafen wir uns dort, nur Jungs, leider keine Mädchen. Wir saßen stundenlang, hörten laut Musik, sehr laut, tranken Bier. Zu reden gab es wenig.

Einer brachte etwas Neues mit. John Mayall: "Blues from Laurel Canyon." Erst wurde das Cover studiert, in den Händen gehalten, die neue, magisch dunkle Scheibe glitt heraus, die Spannung: Das kann kein MP3-Stick ersetzen. Dann das startende Flugzeug mit starken Stereo-Effekten. Und dann diese Musik und diese Gefühle! Mick Taylor an der Gitarre, erst ein Jahr später ging er zu den Rolling Stones. Ich habe ihn nie besser gehört. "And the glow of your eyes told me love/Sweet perfume in your hair". Ich kenne noch heute alle Stücke, aber ich höre die Platte nicht mehr. So etwas hat keinen Sinn. Man sollte nicht versuchen, die Bewegtheit der Jugend mit den gleichen Mitteln herzustellen wie damals. Das ist vorbei.