Linn Reusse spielt “Die rote Zora“ in der sehenswerten Neuverfilmung des Klassikers um erste Liebe und soziale Gerechtigkeit.

"Glotz nicht so romantisch!" Dieser Ausruf ist so ungefähr der Gipfel an Weiblichkeit, den sich Zora erlaubt. Ansonsten ist die freche Göre ein ganzer Kerl. Mehr Mumm als die Jungs in ihrer Bande hat sie sowieso, und stärker ist sie vermutlich auch. Aber hinter der rauen Fassade steckt ein empfindsamer Kern, den sie sorgfältig beschützt; das junge Mädchen hat beizeiten gelernt, dass man in einer Männerwelt lieber keine Gefühle zeigt. Doch dann kommt die Liebe ins Spiel, und prompt steckt Zora in einem Dilemma.

Natürlich ist Kurt Helds Jugendbuchklassiker "Die rote Zora und ihre Bande", 1941 im schweizerischen Exil erschienen, keine Romanze, sondern ein Abenteuerroman, in dem es um Solidarität und soziale Ungerechtigkeit geht: In einem malerischen jugoslawischen Küstenstädtchen hat die junge Zora eine Gruppe von Waisen um sich geschart. Die Kinder sind völlig auf sich allein gestellt. Was sie zum Leben brauchen, stehlen sie. Den Honoratioren des Ortes sind sie daher ein steter Dorn im Auge. Vor allem Fischgroßhändler Karaman und Bürgermeister Ivekovic haben es auf sie abgesehen. Die natürlichen Feinde der Kinder sind jedoch die Gymnasiasten, mit denen es immer wieder zu Prügeleien kommt.

1980 ist Helds Roman schon einmal verfilmt worden; damals hat Fritz Umgelter die Geschichte für die ARD als 13-teilige Abenteuerserie adaptiert. Die neue Umsetzung durch Peter Kahane bietet deutlich mehr Ansätze. Der Regisseur ist vor allem durch die ZDF-Reihe "Stubbe - Von Fall zu Fall" bekannt geworden; er hat die Figur des in Hamburg ermittelnden Sachsen gemeinsam mit Wolfgang Stumph vor 15 Jahren erfunden. In den letzten Jahren der DDR hat sich Kahane allerdings durch Jugendfilme ("Ete und Ali") einen Namen gemacht. Deshalb ist er genau der Richtige für diesen Stoff. Das zeigt sich gerade in seiner ausgezeichneten Führung der beiden Hauptdarsteller: Linn Reusse als Zora, Jakob Knoblauch als neues Bandenmitglied Branko.

Bei der Inszenierung der weiteren Mitwirkenden orientiert sich Kahane dagegen unübersehbar an der Tradition des tschechoslowakischen Kinderfilms: Mit Ausnahme des weisen Fischers Gorian (Mario Adorf) sind alle Erwachsenen Witzfiguren. Damit treibt der Regisseur die kritische Haltung Helds allerdings derart auf die Spitze, dass sie sich in ihr Gegenteil verkehrt. Gerade Ben Becker und Dominique Horwitz legen den Fischgroßhändler und den Bürgermeister als eindimensionale Karikaturen an: Karaman ist machtversessen und geldgierig, Ivekovic will vor allem wiedergewählt werden. Und die beiden Polizisten reihen sich umstandslos in eine lange Tradition ein, die schon im Stummfilm begonnen hat: Sie sind die Trottel der Geschichte. Klamottiger Höhepunkt des unter anderem im Auftrag des NDR entstandenen und von Studio Hamburg produzierten Films ist eine Fischschlacht zwischen allen Beteiligten, Kahane hat gemeinsam mit Christian Zübert und Ronald Kruschak auch das Drebuch geschrieben.

Wohltuender ist Mario Adorfs Verkörperung des Fischers, der die Kinder bei sich aufnimmt, als sie von Karaman und seinen Schergen aus ihrem Refugium vertrieben werden. Gorian ist zudem der große Gegenspieler des Fischhändlers: Ihm gehört die Bucht, in der sich jeden Sommer Tausende von Thunfischen versammeln. Karaman will diese Bucht um jeden Preis haben und schreckt auch vor fiesen Tricks nicht zurück. Die Kinder helfen Gorian beim Fischfang. Der revanchiert sich, indem er den Gewinn fair mit ihnen teilt. Zora kauft sich von dem Geld ein Kleid, aber Branko hat bloß Augen für die ebenso hübsche wie unerreichbare Tochter des Bürgermeisters. Wie in den Romanzen für die Großen dauert es eine ganze Weile, bis ihm klar wird, dass die wahre Liebe die ganze Zeit zum Greifen nahe war.

Bis es soweit ist, muss Branko unter anderem wahren Edelmut beweisen und ausgerechnet seinem ewigen Widersacher in der Bande beistehen: Der Junge ist in die Fänge einer riesigen Krake geraten. Die entsprechenden Spezialeffekte wirken beängstigend echt; die Szene ist derart packend inszeniert, dass sie für kleinere Kinder womöglich zu spannend ist.

Die rote Zora Sa 1.1., ARD 16.10