Der fabelhafte Soweto Gospel Chor aus Afrika kommt mit seinem Weihnachtsprogramm für zwei Wochen in die Kampnagelfabrik.

Kampnagel. Vielleicht singen sie deshalb so schön, weil sie alle vor Heimweh vergehen. Zehn, elf Monate im Jahr sind die Sänger des Soweto Gospel Chors auf Tournee, fernab ihrer Heimat Südafrika. Überall auf der Welt öffnen sie den Menschen mit ihren wunderbaren Gesängen das Herz, das tröstet wohl ein bisschen über die Sehnsucht nach zu Hause hinweg. "Ich vermisse meine Mutter", sagt der Chorleiter Shimmy Jiyane am Telefon aus einem Hotelzimmer in Florenz. Und die Kollegen, die jetzt mit ihm und dem Chor Weihnachten und Silvester in Hamburg verbringen werden? "Zum Glück gibt es eine ganze Menge Leute bei uns, die miteinander verheiratet sind. Die haben wenigstens ihre Liebsten immer bei sich. Und manche haben hier in Hamburg Freunde, so wie ich."

25 Sänger bilden den Soweto Gospel Chor, der ab heute bis zum 2. Januar auf Kampnagel gastiert, teilweise sogar mit zwei Shows pro Tag. Aber was heißt Sänger - die Damen und Herren tanzen und trommeln auch und verwandeln mit ihren farbenprächtigen Kostümen und Kopfbedeckungen die Bühne in ein Meer aus purer Lebensfreude. Sie bilden gewissermaßen die Auswärtsspieltruppe, zu Hause gibt es einen Chor in gleicher Stärke, der das Land allerdings kaum verlässt.

Vor acht Jahren wählte der inzwischen verstorbene Gründer des Chors, David Mulovhedzi, im Auftrag eines Produzententeams die besten Sänger aus den Kirchenchören in Soweto bei Johannesburg aus, um sie zu einer Elitetruppe zu formen, zu einem wohlklingenden Aushängeschild Südafrikas mit seiner insbesondere in den Harmonien so charakteristischen Vokalmusik-Tradition. Die Operation glückte - die Sänger aus Soweto sind nicht nur auf den Bühnen der ganzen Welt gefragt, ihre Platten wurden schon mehrfach mit dem Grammy ausgezeichnet. Auch das neue Album "Grace" ist dafür nominiert.

Die genuine südafrikanische Sangesfreude ist mehr als bloßes Klischee; sie wurzelt in der Volksmusik und der mündlichen Überlieferung vieler Gesänge, die sich bis heute erhalten haben. Vor allem aber ist sie Ausdruck der Kraft, die das Singen den Menschen in den Jahrzehnten ihrer Unterdrückung während der Apartheid gegeben hat. "Wir haben immer an unser Land geglaubt", sagt Shimmy Jiyane, der den Chor seit fünf Jahren leitet. "Wir haben viel gebetet, gesungen und getanzt, um uns froh zu stimmen."

Lange galt allein Miriam Makeba als die Stimme Südafrikas. Dass Süße und Inbrunst in weit mehr südafrikanischen Kehlen zu Hause sind, entdeckte der Westen erst mit Ladysmith Black Mambazo, dem kleinen Männergesangverein, der 1986, in der Spätphase der Apartheid, mit Paul Simons Album "Graceland" berühmt wurde.

"Die haben ganz sicher auch uns den Weg geebnet", weiß Jiyane. Sein Ensemble genießt mittlerweile einen ähnlich guten Ruf. Der Soweto Gospel Chor ist Südafrikas Instanz bei allen religiös motivierten Gesängen von "Amazing Grace" bis zu "Always Jesus", bewegt die Zuhörer darüber hinaus mit selbst arrangierten Versionen etwa von "Biko" oder "Bridge Over Troubled Water" und prägte sich am 11. Juni bei der Eröffnungsfeier der Fußballweltmeisterschaft in Johannesburg einem Millionenpublikum am Bildschirm ein. Live-Auftritte mit Stars aus der Rock- und Popmusik wie U2 oder Robert Plant, Angelique Kidjo, Queen oder Anastacia hatten den Ruhm des Ensembles schon zuvor weit über die Szene der Chor-Liebhaber hinausgetragen. Für Kinder Aids-kranker Eltern gründete der Chor, der Bischof Desmond Tutu als Schirmherrn hat, eine Stiftung.

Natürlich haben die weit gereisten Gäste aus Südafrika auch ein paar Weihnachtslieder im Programm. "Stille Nacht" singen sie auf Deutsch. "Wir üben jeden Tag an der Aussprache", sagt Shimmy Jiyane. "Bis wir da sind, haben wir das wieder drauf."

Soweto Gospel Chor "African Spirit", bis 2.1., jeweils 20.00, sonn- und feiertags 19.00, 26. und 31.12. auch 15.00, keine Vorstellung am 24.12.), Kampnagel (Bus 172, 173), Jarrestraße 20, Karten zu 23,50 bis 39,90 in den Abendblatt-Ticketcentern und unter T. 47 11 06 33