Zu seinem Weihnachtskonzert im Tivoli erfindet sich Michy Reincke praktisch neu

Hamburg. Kurz vor der Pause ist ihm die Erleichterung deutlich anzumerken. "Das hätte ja auch in die Hose gehen können", bilanziert Michy Reincke, 51, in seiner trockenen norddeutschen Art: "Die ganzen geilen Songs als Balladen einfach zu verballern."

In der Tat hatte der Hamburger Liedermacher im ausverkauften Schmidts Tivoli ein echtes Experiment gewagt. Seine Gassenhauer "Taxi nach Paris" und "Valerie, Valerie" spielte er direkt zu Beginn - und verbat sich das Mitklatschen. Ausgerechnet vor seinen treuesten Fans, die Jahr für Jahr zu seinem Weihnachtskonzert pilgern, erfand sich Reincke praktisch neu. Seine Klassiker hat er für seine CD "Palais Salam" völlig neu arrangiert, irgendwo zwischen Jazz, Pop und Folk verortet. Für ihn ein nur logischer Stilwechsel: "Diese Musik kann ich auch als alter Mann spielen, wenn ich zerknittert mit Bauch auf einem Barhocker sitze." Lounge-Atmosphäre statt ausgelassenem "Offenen Singen", in die Fußballersprache übersetzt wäre das in etwa so, als würde Joachim Löw seinen Ballzauberer Mesut Özil aus purer Laune heraus zum Innenverteidiger umschulen.

Während der Bundes-Jogi für einen solchen Einfall wohl mit einem Popularitätsfall Richtung FDP auf der nach unten offenen Guido-Skala bezahlen müsste, feierten die Fans ihren Michy am Ende, als hätten Take That und Bastian Schweinsteiger gleichzeitig die Bühne geentert. Zu verdanken hat es Reincke seiner großartigen Band, seinen Entertainer-Qualitäten - und natürlich dem Kurswechsel nach der Pause. Einen ganzen Abend nur entspannt auf dem Barhocker zu sitzen - das ist ihm zum Glück dann doch zu langweilig. Von wegen alter Mann, Bierbauch und so. Reincke lässt es richtig krachen und bittet in der Zugabe natürlich noch mal in sein Original-Taxi, das nun schon seit 26 Jahren nach Paris tuckert - Pflichtstück jeder Abi-Fete in den Achtzigern. Und dann bittet der Meister persönlich zum Klatschmarsch.

Wer wieder ins Michy-Taxi einsteigen möchte, muss zum Glück nicht bis zum 22. Dezember 2011 warten. Reincke gönnt sich diesmal einen Zwischenstopp in den Fliegenden Bauten am 3. Mai. Zwei Taxi-Fahrten inklusive. Nix wie hin!