An Ingo Appelt und seiner Humorauffassung scheiden sich auch nach fast zwei Jahrzehnten noch die Geister.

Schmidts Tivoli. In den 90er-Jahren tauchte auf einmal dieser Mann im Fernsehen auf: adrett im Anzug, die Haare spitz in die Stirn gekämmt und mit einem Glitzern in den Augen, das nichts Gutes verhieß.

Mit seinen inneren Dämonen war Ingo Appelt schon damals im Einklang. Als verbale Dampframme und stolzer Besitzer eines güldenen Schilds durchbrach er allgemein anerkannte Niveaugrenzen so weit nach unten, dass sich der Fürst der Finsternis wegen Zugluft beschwerte.

An seine Witze von damals erinnert man sich zwar nicht mehr, wohl aber an das Schild. Auf dem stand das böse F-Wort, und das war ein Skandal. Naja, ein Skandälchen. Es reichte jedenfalls, um dem Verfechter der angewandten Geschmacklosigkeit genügend Publicity zu verschaffen, dass sich die Auftritte häuften, auf Kleinkunstbühnen und im Fernsehen. Das bisschen rhetorische Anarchie machte ihn dann nach dem Jahrtausendwechsel zum Moderator seiner eigenen Show: Das mag Appelt wohl einerseits ganz recht gewesen sein, andererseits taugt man ja nur entweder zum Agent provocateur oder zum massenkompatiblen Alleinunterhalter. Die Wahl scheint ihm nicht allzu schwer gefallen zu sein: "Die Ingo Appelt Show" wurde hastig wieder abgesetzt, nachdem der Comedian wiederholt zu viel brachialhumoristisches Salz in die Wunde, die sich "political correctness" nennt, gekippt hatte.

Doch auch ohne eigene Show war Appelt da schon kaum noch aus der deutschen Medienlandschaft wegzudenken. Ob private oder öffentlich-rechtliche Sender, Late Night Comedy oder Familienunterhaltung, Springteufel Appelt lauerte hinter jeder Ecke. Und je mehr man ihm zuhörte - oder nicht schnell genug weghörte -, desto öfter fragte man sich, ob der wirklich so banal sein kann, ob er es wirklich nötig hat, in den humoristischen Katakomben mit den Ketten zu rasseln.

Natürlich ist der Bürgerschreck für Appelt eine Rolle. Eine, in der er zwar auch nach Jahren noch aufgeht, aus der er aber auch immer wieder mit Genuss ausbricht. Bei Maischberger, Lanz und in anderen Diskussionsarenen sitzt auf einmal nicht mehr der mit sprachlichen Fäkalbrocken um sich schmeißende Hau-Drauf-Komik-Pavian. Stattdessen ist er neben den anderen Debattengästen ein stichfest argumentierender, interessierter und wohlinformierter Mensch, ein überzeugter Sozialdemokrat, der mit viel Verve und ganz ohne persönliche Beleidigungen seine Standpunkte klarmacht.

Um danach auf der Bühne wieder zum Zotenreißer zu mutieren. "Männer muss man schlagen", heißt das nicht mehr ganz taufrische Programm, mit dem er sich seit 2008 als Frauenversteher und Kämpfer wider die Schlechtigkeit des Mannes präsentiert. Der Kampf der Geschlechter, welch kreatives Thema. An den Unterschieden, Ähnlichkeiten und allem anderen rund um Männer und Frauen hat sich schon fast jeder deutsche Comedian abgearbeitet. Aber Appelts Tiefschläge sind im Gegensatz zu denen des Berliner Dampfplauderers Mario Barth zumindest so gezielt, dass man ums Lachen manchmal nicht herumkommt.

Damit ist er endgültig im Mainstream angekommen. Das Programm gibt es nicht nur in Buchform (rororo, 9,95 Euro), Appelt darf es 2011 sogar auf einem flammneuen Ozeanriesen präsentieren, als Attraktion einer Kurzkreuzfahrt der Reederei Aida. Vom Schmuddelkind der Comedy zum Alleinunterhalter auf einem Urlaubsdampfer. Eine saubere Karriere hat er da hingelegt. Mit schmutzigen Witzen.

Ingo Appelt - Männer muss man schlagen! 20. und 21.12. 20.00, Schmidts Tivoli (U St. Pauli), Spielbudenplatz, Karten ab 16,50; www.ingoappelt.de