Einmal heiße Zitrone, bitte. Obwohl: Reicht das? Dies ist keine Konzertbesprechung des Auftritts von Caballé. Dafür hat es nicht gereicht.

Hamburg. Wenn eine Sängerin erkältet ist, gehört sie mit einem Glas heißer Zitrone und weiteren Heilmitteln ihrer Wahl ins Bett und nicht auf die Bühne. Dies gilt umso mehr, wenn es sich bei der Künstlerin um eine Solistin handelt, die einen nur vom Klavier begleiteten Abend mit Liedern und kleinen Arien zu bestreiten beabsichtigt. Noch viel mehr gilt dies, wenn die Sängerin bereits 77 Jahre alt ist und über einen Sopran verfügt, bei dem sich die Spuren des Alters sowieso schon längst unüberhörbar über das einst so glanzvolle Klangbild gelegt haben. Da kann ein kleiner Fipps im Hals das eventuell noch verbliebene Hörvergnügen gewaltig trüben.

So geschehen beim Konzert von Montserrat Caballé am Donnerstag in der Laeiszhalle. Nach vernehmlichem Gehuste in der ersten Nummer ließ sich La Superba ihren Mantel reichen, damit sie's etwas wärmer hatte. Das half nicht wirklich, jedenfalls nicht ihrer Stimme. In einer bemerkenswerten Mischung aus Grandezza und Nonchalance steuerte die Caballé sich im Verlauf des Abends immer tiefer in die Indisposition hinein. Rasch hatte sie damit auch dem erkälteten Teil des Publikums alle Hemmungen genommen.

Ein solches Konzert kann man nicht rezensieren. Unmöglich zu sagen, ob die Sängerin ihre Partien nur deshalb kaum gestaltete, weil sie ihre Stimme schonen und sich das schiere Durchhalten sichern wollte. Einzelne Töne, ganz wenige Phrasen vermittelten eine Ahnung davon, wie berückend schön diese mittlerweile so statuarische Primadonna einst gesungen hat. Wie bei einem Palimpsest schienen da und dort noch blasse Schriftzeichen ihrer Kunst von einst hindurch.

Der Applaus aus den nach der Pause deutlich gelichteten Reihen klang zunehmend nach Erleichterung. Wieder ein Stück überstanden! Die kleine Zugabe erledigten die Sängerin und ihr treuer Klavierbegleiter Manuel Burgueras praktischerweise fast ungefragt und gleich an Ort und Stelle ohne Umweg über den Zwischenabtritt von der Bühne. Dass die Tagesheldin des Hustens von Teilen des Publikums dann doch mit Beifall im Stehen verabschiedet wurde, nahm sie selbst mit fast ungläubigem Staunen hin: So lieb habt ihr mich – trotz dieses ziemlichen Trauerspiels?

Ärgerlich, dass der Veranstalter es nicht für nötig befand, das Publikum am Eingang auf die zu erwartenden Stimmprobleme hinzuweisen, sodass jeder Besucher die Möglichkeit gehabt hätte, gegebenenfalls die Karte zurückzugeben. Und falls man die Sängerin vor sich selbst schützen wollte, aber nicht konnte, weil sie partout rauswollte auf die Bühne: Eine charmant um Nachsicht bittende Ansage vorweg hätte nicht geschadet. Montserrat Caballé bat schließlich selbst um Entschuldigung. So demontiert man eine Künstlerin.

Sie wolle singen bis an ihr Lebensende, hat Montserrat Caballé gerade in einem Interview gesagt. Unbedingt. Nur muss es ja nicht bis zum letzten Tag auf der großen Bühne sein.