Auf Kampnagel blamierten sich die kulturpolitischen Experten der Parteien als ganz große Koalition der Uninspirierenden

Hamburg. Wer sich in diesen Tagen in Hamburg für parlamentarische Kulturpolitik begeistern möchte, muss sehr leidensfähig sein. Es gibt nichts, was diesen Namen verdient hätte. Es gibt keinen Esprit, keine Leidenschaft. Visionen gibt es schon gleich gar nicht. Und das, obwohl die Kulturpolitik für wochenlange heftige Debatten sorgte. Sie gilt als wichtiger Grund für den Koalitionsbruch. Doch die Parteien bieten nur Variationen von Langeweile an, dargeboten von Sachbearbeitern, die stundenlang so dröge palavern, dass man sich fühlt wie tief ins Wachkoma geschleudert. Exzessives Erbsenzählen. Kaninchenzüchter ohne Kaninchen.

Das SPD-nahe Kulturforum hatte jene vier Vertreter zu einer Kampnagel-Debatte geladen, die in ihren Parteien als kulturkompetent und -interessiert gelten. Man möchte nach dem Ende dieser zähen Veranstaltung lieber nicht wissen, wie Fraktionsmitglieder ticken, die Bücher, Museen, Konzertsäle oder Theater nur von außen kennen.

"Wo ist der politische Elan der Proteste hin?", fragte man sich danach deprimiert, während sich Kulturforum-Stammgäste zur Manöverkritik mit den Diskutanten auf ein Absacker-Weinchen ins Kampnagel-Casino umbetteten. Wie ist die Energie verpufft, die bei den Pro-Schauspielhaus-Demos vor der Kulturbehörde dem Hausherrn einheizte? Jenem Kultursenator, dem eine Stunde zuvor im Untersuchungsausschuss zur Elbphilharmonie mehrfach nicht einfallen wollte, ob und warum man ihn womöglich auch wegen dieser Baustelle in den einstweiligen Ruhestand geschickt hatte.

Was wurde aus dem Willen zum Kampf gegen die Behörden-Lethargie, der stundenlange Sondervorstellungen im Thalia ebenso verzauberte wie die Menschenmassen bei ihrer Entdeckung des Altonaer Museums? Hat denn niemand aus den schallenden Ohrfeigen der überregionalen Feuilletons gelernt?

All das war - obwohl der Wahlkampf um die Macht im Rathaus schon begonnen hat - weit weg. Ganz weit weg. Die vermeintlichen Kontrahenten verbrüderten sich zur ganz großen Koalition der Uninspirierenden. Moderator Herbert Schalthoff lockte sie nicht einmal mit forsch verteilten Reizworten wie "Luschenvorlage" (gemeint war ein SPD-Antrag) aus diesem Jammertal der Ahnungslosen.

Für die CDU überraschte Brigitta Martens mit der Ansage "Kultur ist kein Wahlkampfthema", um wenig später zu monieren, dass Dorothee Stapelfeldt (SPD) damit eine Proberunde als viel versprechendes Schattenkabinettsmitglied drehte. Eva Gümbel (GAL) handelte sich Protest im Saal ein, weil sie trotz Entschuldungsmaßnahme in Millionenhöhe behauptete, die strukturelle Unterfinanzierung der Museumsstiftungen sei unbewiesen. Dass die Kampnagel-Chefin Amelie Deuflhard entnervt aus dem Parkett forderte "Wir sollten auch mal über Kunst reden, wo sind die Konzepte?", war ein Rettungsversuch. Gut gemeint. Vergeblich. Hier war, da nichts gewollt wurde, auch nichts und niemand mehr zu retten.