Ein Buch über Erika Fuchs, die einen amerikanischen Ort zu Entenhausen machte

Auf ziemlich breiten Füßen kommt dieses Buch daher. Es geht darin um Fuchs und Enten, keineswegs aber um verfeindete Tierarten. Erika Fuchs war Enten durchaus zugetan, denn sie hat seit den 50er-Jahren die Abenteuer von Donald Duck und seiner Sippe ins Deutsche übersetzt. Wie sie das gemacht hat, wer sie war und aus welchen Quellen sie geschöpft hat, erzählt Ernst Horst anschaulich und bebildert in "Nur keine Sentimentalitäten!". Natürlich erfährt man dabei auch einiges über die Ducks, das Buch ist eine Mischung aus Biografie und Geflügelschau.

"KLICKERADOMS". Schön fett in Versalien hat Fuchs in einem Comic-Bild festgehalten, welches Geräusch man hört, wenn Donald eine große Metallwanne fallen lässt. Lautmalereien zählten zu ihren Spezialitäten; typisch für die fuchsschen Übersetzungen ist es, dass sie die einfachen US-Texte in der deutschen Fassung kulturell etwas aufbrezelte. So ist dieses Geräusch nicht etwa erfunden, sondern stammt aus Wilhelm Buschs Gedicht "Die fromme Helene": Wie ein Trüffelschwein durchstöbert Ernst das Werk der Übersetzerin und freut sich immer, wenn er solche Funde präsentieren kann.

Erika Fuchs war eine echte Pionierin. Die 2005 im Alter von 98 Jahren gestorbene promovierte Kunsthistorikerin hat mehr als 40 Jahre die Comics der "Micky Maus"-Hefte übersetzt. Ab 1951 brachte sie als Chefredakteurin den Deutschen die Mischung aus Text und Zeichnungen nah, die viele zunächst für eine Art "Schund" hielten. Die eigentlich für diesen Job überqualifizierte Frau fand sich mitten in einem Markenexportartikel populärer US-Kultur wieder und gab ihm mit leichter Hand homöopathische Dosen deutscher Bildung mit auf den Weg. Die Folge ihres kulturellen Sendungsbewusstseins: Aus dem hiesigen Entenhausen wird ein Zerrbild des amerikanischen Duckburgs mit deutschen Kulissen.

Man erfährt in dem unterhaltsamen, manchmal aber auch etwas sprunghaft erzählten Buch zahlreiche Details und Hintergründe über die Disney-Comics. In den USA wurden sie 2009 wegen der Wirtschaftskrise vorläufig eingestellt. In Deutschland hat das "Micky Maus"-Magazin noch eine Auflage von immerhin 213 000 Exemplaren, wobei 73 Prozent der Leser männlich sind. Viele von denen haben sich vielleicht gewundert, was sie in einer Geschichte aus dem Jahr 1953 über eine Fußballreportage im Radio lasen. Der Kommentator benutzt für einen strammen Schuss das merkwürdige Wort "Flachbombe". Ernst Horst glaubte zunächst, Fuchs habe sich den Begriff ausgedacht. Aber dann bekam er doch noch heraus, wo sie ihn gelesen haben könnte: im Abendblatt vom 12.12.1949. Ohne Fuchs, glaubt Ernst, wäre der Ausdruck "ausgestorben wie ein Dodo".

Der Autor ist übrigens recht nachsichtig mit der Frau, er verzeiht ihr einige merkwürdige politische Ausrutscher, zum Beispiel Onkel Dagoberts Satz: "Untermenschen im Untergrund pflege ich unterirdisch zu erledigen." Wie viele Duck-Verrückte ist der Autor ein Donaldist. In der Vereinigung D.O.N.A.L.D. (Deutsche Organisation Nichtkommerzieller Anhänger des Lauteren Donaldismus) treffen die sich zu geistreichen Nonsens-Tagungen. Fuchs nannte die Versammlung einen "Mickymaus-Fanklub". Eine Majestätsbeleidigung, denn Micky und Donald darf man nie in einen Topf werfen.

"Mickymaus ist ja nur eine gezeichnete Figur, ein langweiliger Besserwisser, den so ein amerikanischer Filmmogul und Kommunistenfresser erfunden hat. Donald Duck hingegen existiert. Die Informationen über seine Biografie sind zwar unvollständig und widersprüchlich, aber das Gleiche gilt bekanntlich für Shakespeare", so Ernst Horst. Ente gut, alles gut.

Ernst Horst: Nur keine Sentimentalitäten! Blessing. 384 Seiten. 22,95 Euro