“Neue Arbeiten“ von Stephan Balkenhol in unserer Galerie der Woche Dörrie*Priess

Galerie Dörrie Priess. Der Mensch heißt Mensch! Hört sich Grönemeyer-mäßig an, ist aber eigentlich ureigenstes Terrain der Kunst. Die nämlich hatte gehörig mit dem Menschen zu kämpfen, bevor sie ihn wieder beim Namen, pardon beim Bild nennen konnte. Denn es begab sich zur Nachkriegszeit, als die Kunst ihm den Garaus machte und statt seiner lauter nette Abstraktionen ins Bild platzierte. Ein Mensch im Bild? Unmöglich! Doch mühsam, peu à peu, kam die große Reconquista, die Rückeroberung des Menschen in der Kunst.

Ganz besonders ins Gedächtnis hat sich den Hamburgern dabei der Name des Bildhauers Stephan Balkenhol eingeprägt. Seine lebens- bis überlebensgroßen Figuren in Hamburgs Stadtbild haben mit zum tiefen Luftholen in einer gegenstandslosen Kunstwelt beigetragen. Ob auf der Elbe, auf der Alster, vor den Toren Hagenbecks oder unmittelbar vor der Zentralbibliothek: Hier ist der Mensch Mensch. Weil er singt, weil er lacht, wie Grönemeyer mutmaßt? Weil er irrt und weil er kämpft? Nicht ganz.

Die balkenholsche Variante modernen Menschseins orientiert sich an dessen bloßer Existenz. Unauffällig gekleidet, weder von Exzentrik, individuellem Aufbegehren noch auffallender Emotionsmimik gezeichnet, haben es sich seine Skulpturen ganz in ihrem selbstgenügsamen Dasein eingerichtet. Sie sind, also sind sie. Und also bleiben sie auch, wie sie sind. Denn Balkenhols Figuren führen eine ihnen eigene Dorian-Gray-Existenz. Sie altern nie. Sie sind jung und bleiben es - geschnitzt aus einem Stück Holz wie schon Pinocchio, aber anders als dieser Spitzbub moralisch integer. Holzfiguren à la Balkenhol agieren nicht als Hampelmänner. Eher umgekehrt. Sie wirken wie nüchterne Reaktionen auf eine Umwelt voller Hampelmänner und -frauen.

Neue Figuren und Zeichnungen aus der Werkstatt Stephan Balkenhols präsentiert aktuell die Galerie Dörrie* Priess. Köpfe, Porträts, sogar ein liegender Akt fügen sich hier nahtlos in das vertraute Repertoire des Künstlers. Eher die kleinen Variationen fallen auf, tief liegende, an Negativformen erinnernde Reliefs, die beim Betrachten vom Negativ ins Positiv und umgekehrt changieren. Mit Farbe wird umgegangen wie eh und je: das nackte, grob geschnitzte Holz für die Haut, der Anstrich für Kleid, Haarpracht, Mund und Auge. Die hölzerne Galerie der jungen und dem Mittelstand Angehörigen zeichnet so etwas wie Fotoanonymität aus. Man ahnt, dass für sie reale Vorbilder existieren, ohne deren Namen zu wissen. Man kennt sie, ohne zu wissen, wer sie sind.

Seine Figuren laden zum Rückzug in ein stilles Menschsein ein, das sich fern aller Gefühlsein- und -ausbrüche hält und viel Druck von übertriebenen Selbstansprüchen nimmt. Manchmal aber wagen sie sich doch hinein in komplexe Konstellationen. So hat Balkenhol zwei mannshohe Bretter, Längsschnitte durch einen Baum samt Rinde, über Kreuz gestellt. Zwei Männer und eine Frau teilen sich diesen in alle vier Himmelsrichtungen weisenden Baum. Man muss sich in Bewegung setzen, den Baum umkreisen, um ihn in Gänze zu sehen und dabei immer wieder andere Perspektiven auf diese Ménage-à-trois zu gewinnen.

Stephan Balkenhol - Neue Arbeiten bis 19.2. (20.12.-8.1. geschlossen), Mi-Fr 14.30-18.30, Sa 12.00-15.00, Galerie Dörrie*Priess, Admiralitätstraße 71 (U Rödingsmarkt), T. 36 41 31; www.doerrie-priess.de