Jung, talentiert und ganz schön dunkel gestimmt: Anika legt mit ihrem Debütalbum eine wilde Kreuzung aus Krautrock, Underground und Dub vor.

Ein metallisches Tropfen schallt durch die Soundgruft. Der Drumcomputer stöhnt, der Bass brummt. So stellt man sich die Tonspur eines Traumes vor, in dem man gemessenen Schrittes eine Treppe in sein verzweigtes Unterbewusstes hinabsteigt. Wo hinter einer Tür ein vielsagendes Dunkel lauert. Eines stört: diese Stimme. Warm und voll, aber viel zu dumpf für eine 23-Jährige. Und schon werden Vergleiche mit der großen deutschen Trauerweide der 60er-Jahre, mit Nico, strapaziert. Tatsächlich hat Anika eine Menge von jenem teutonischen Grübeln, das die blonde Velvet-Underground-Sängerin aus Köln in die Welt hinaustrug.

Das ist aber nur eine Facette der jungen Frau, die im britischen Cardiff aufwuchs und heute in Berlin lebt. Auf dem nach ihr benannten Debütalbum bringt sie scheinbar Unvereinbares zusammen: Coverversionen von Bob Dylan bis zu den Pretenders kleidet sie in einen Soundmix aus dem Krautrock der 70er-Jahre, dem Underground der 60er-Jahre und dem elektronischen Dub von heute.

Krautrock, das war mal eine Musik für Hippies, die sich im Kreis auf bequemen Kissen niederließen, ein paar Patschulistäbchen entflammten und in heiligem Schweigen den kruden Klängen von Bands wie Can, Faust oder Amon Düül lauschten. Kaum einer weiß heute noch, dass die Can-Heroen Holger Czukay und Irmin Schmidt im Studium bei Karlheinz Stockhausen seinerzeit allerlei verwegene Soundstrukturen abgeschaut hatten. Und daraus analoge, liebevoll versponnene Klanggebilde tüftelten.

Das beeindruckte schon damals die Briten und mutet heute in seiner Altertümlichkeit schon wieder verwegen quer an. In der Single, dem Yoko-Ono-Cover "Yang Yang" zuckt und fiept die Elektronik synkopisch, stur rhythmisch und im Grunde ganz und gar unheimelig. Es ist eine Musik, die die Melodie, das Wohlgeformte eigentlich verachtet und ihr Glück in einer seltsamen Abwesenheit des Gesangs und im scheinbar Ungeschliffenen sucht. Dennoch strahlt sie eine seelenvolle Innigkeit aus. Es ist die gleiche, die den ihrer Umgebung entfremdeten Figuren in den Filmen von Michelangelo Antonioni im Blick liegt, wenn sie wie Monica Vitti in "Die Rote Wüste" durch Labyrinthe stählerner Industriearchitektur streifen.

Ihre Entdeckung verdankt Anika einem der bedeutendsten Namenlosen des Pop. Geoff Barrow unterhält mit Beth Gibbons die Postrock-Legende Portishead. Doch deren Schaffenspausen dehnten sich zuletzt immer weiter aus. Unlängst scharte der umtriebige Musiker für seine Zweitband Beak den Keyboarder Matt Williams und den Bassisten Billy Fuller aus Bristol um sich. Barrow arrangiert und produziert. Was Beak fehlte, war eine Sängerin. Anika, halb Engländerin, halb Deutsche, hatte in Cardiff eine nur halb befriedigende Existenz als Clubpromoterin, DJane, politischer Journalistin und Aktivistin der US-Menschenrechtsorganisation Innocence Projekt gegen Justizirrtümer bei Kandidaten in der Todeszelle hinter sich.

Desillusioniert auf der Suche nach einem Lebensentwurf war sie ins kreative Milieu Berlins eingetaucht, um hier als Textlieferantin für die europäische Hochschulnachrichtenagentur ESNA so etwas wie eine Perspektive zu entwickeln. Hier ereilte sie der Anruf eines Freundes aus Cardiff, der ihr mitteilte, dass die Band eines Bekannten, eine Sängerin suche.

Die Band, die zuvor ein eigenes ziemlich verschrobenes, instrumentales Experimentalalbum zusammengezimmert hatte, entschied sich für Anika. Aus dem anvisierten Auftritt als Gastsängerin wurde Anikas Solo mit Beak als Backingband. In zwölf Tagen spielte man gemeinsam neun Coverversionen ein. Bob Dylans "Masters Of War" erklingt nun brachial verdubbt. Im hymnischen "End Of The World" von den Carpenters verleiht Beak dem Drum-Hall eine neue Dimension. Es geht aber auch mal flott und fröhlich zur Sache wie in "Officer Officer". Da gniedeln die Gitarren, die Beats eilen in nervöser Betriebsamkeit davon. Den von Paranoia geplagten unter uns sei "No One's There" zur Kur anempfohlen.

Alle Songs sind von Barrow und seinen Jungs derart über einen Dub-Reggae-Krautrock-Kamm gebürstet, dass sie kaum zu erkennen sind. Die rohen Sounds mischen sich aufs Feinste mit Anikas ungeschliffener, kehliger Stimme. Manchmal schnarrt sie, als wäre sie direkt im Keller aufgenommen. Doch gerade in dieser bewusst gesetzten Antivirtuosität liegt das Geheimnis von Anikas Faszination. Man ahnt, dass das hier erst der Zauber eines Anfangs ist.

Das scheinbar so Unvereinbare, hier verbindet es sich aufs Allerfeinste.

Anika: Anika (Invada/Cargo); http://anikaberlin.blogspot.com