Zum Jubiläum von “Autoauto!“ schwingt Stefan Gwildis noch einmal den Hammer

Kampnagel. Ein Autoliebhaber, der über seinen motorisierten Gefährten und dessen Leistungsvermögen spricht, verkündet gern mit stolzgeschwellter Brust: "Da steckt Musik drin!" Das sonore Gebrabbel eines V8-Big-Blocks oder das heisere Röhren eines hochgezüchteten Sportwagens verführen PS-Fanatiker tatsächlich zu träumerischem Seufzen. Ein Kadett E dagegen tönt in etwa so wie ein Rasenmäher, der über ein Kiesbett fährt. Keine Spur von akustischem Sex-Appeal.

Es sei denn, Stefan Gwildis und Christian von Richthofen bearbeiten ihn, dann wird aus dem grässlichen 80er-Jahre-Cordhut-Träger-Kfz "der Steinway unter den Konzertmobilen". Vor zehn Jahren konnte man den beiden Multitalenten auf einem Hamburger Schrottplatz bei den ersten Versuchen zusehen, aus einer schnöden Blechkiste ein Perkussionsinstrument zu machen.

Unter dem Titel "Autoauto! Ein musikalisches Kadettgemetzel" ging das Programm an den Start, und seitdem läuft und läuft und läuft die skurrile Musik-Theater-Performance. Seit 2004 ohne Gwildis, aber immer zum großen Amüsement des Publikums. Zum zehnten Jubiläum tritt Gwildis nun aber noch einmal an die Seite von Richthofens. Ihn juckte es wohl in den Fingern, endlich einmal wieder den Hammer kreisen zu lassen. Und von Richthofen ist Wechsel in der Besetzung inzwischen gewohnt. Erst wurde aus dem Soul-Man der Caveman: Kristian Bader ersetzte Gwildis. Seit drei Jahren schwingschleift, trommelt und verbeult Rolf Claussen an der Seite des Adelssprosses, der in einer Dekade schon mehr als 500 Fahrzeuge auf die liebevollste Art und Weise ins automobile Nirwana befördert hat.

Nicht im zweckmäßigen Blaumann, sondern in feinem Zwirn zerlegt das Duo den Kadett. Schließlich spielt man auch klassische Töne, was die Vorbesitzer der Gefährte sicher beruhigen dürfte. So verbleibt ein Hauch von Würde im zelebrierten Abgang. Im Smoking nähern sich die beiden dem Objekt der zugleich destruktiven und produktiven Begierde: Bevor aber die ganz schweren Kaliber aufgefahren und in schwungvollen Kontakt mit Blech und Glas gebracht werden, gehen die Künstler ganz zart und liebevoll mit ihrem Instrument um. Da wird gestreichelt und sanft geklopft, innegehalten, um sich mit rollendem "R" über die "Vorrrrteile" des Kadetts im Vergleich zu anderen Automobilen auszulassen.

Erst danach steigert man sich über Türenknallen, Scheibenzerschmettern und Dachaufsägen zum furiosen Finale mit zwei Vorschlaghämmern. Zu den Klängen von Tschaikowskys "Blumenwalzer" lässt der Kadett unter den Einschlägen der Hammerköpfe sein Leben. Am Ende haben die Künstler Jackett, Hemd und Fliege abgelegt, sind schweißnass und atmen schwer. Doch wirken sie immer noch frisch im Vergleich zum Auto.

Die Individualisierung des fahrbaren Untersatzes hat nicht zu tilgende Spuren hinterlassen. Dank Flex und Hämmern, Tritten und Schlägen ist aus der schnöden Massenware ein einzigartiges Kunstwerk geworden. Das erfüllt seinen ursprünglichen Zweck zwar nicht mehr, aber Kunst muss ja nicht praktisch sein. Und ein ästhetischer Gewinn ist die eigenwillige Rundumbehandlung für den Kadett auf jeden Fall.

Autoauto! 10. und 11.12., jeweils 19.30, Kampnagel (Bus 172/173), Jarrestraße 20, Karten ab 18,- im Vvk.; www.kampnagel.de