Der Leipziger Künstler Kaeseberg, ein brillanter Autodidakt, stellt seine Arbeiten in der Galerie Ute Claussen aus

Galerie Ute Claussen. Er kommt aus Leipzig, ist bildender Künstler, nur eines nicht: Maler. Auch solch unerwartete Phänomene gibt es in der aktuellen Kunstwelt. Eines heißt Kaeseberg und stellt zurzeit in der Galerie Ute Claussen aus.

Als Autodidakt blieb dem 1964 geborenen Künstler eine Ausbildung im Umgang mit Pinsel und Acryl sowieso versperrt. Von Leipziger Schule kann bei seiner Kunst also nicht die Rede sein. Und eigentlich begann Kaeseberg als Mechaniker - sein Ausbildungsberuf, den er aber nie ausübte. Wer sich in der Galerie umsieht, ist bei flüchtigem Blick dennoch geneigt, Kaesebergs Flachware mit Malerei zu verwechseln. Markante, kräftige, piktogrammartige und mit Kaseinfarbe gemalte Muster fallen hier sofort ins Auge.

Kaeseberg aber bevorzugt den Begriff der Zeichnung, die er hier wortwörtlich vielschichtig zeigt. Jedes seiner Bilder setzt sich aus mehreren semitransparenten Seidenpapieren zusammen. Auf jedem hat Kaeseberg entweder ein Piktogramm, einen Text, eine technische Zeichnung oder sonst eine bildliche Botschaft gesetzt. Anschließend werden diese seidenen Einzelblätter abgelegt und archiviert, bis sie irgendwann zusammenfinden. Dann liegen mehrere Blätter aufeinander, bilden so etwas wie ein Palimpsest, das unterschiedlichste Informationen preisgibt: handschriftliche Notizen, kalligrafische Schriftzeichen, Zitate aus der Welt der Popmusik und blattfüllend darüber orientalische, keltische oder barock üppige Ornamente.

Andere Muster weisen organische Strukturen auf, als hätte sich Kaeseberg von den Kalkschwamm-Zeichnungen eines Ernst Haeckel inspirieren lassen. Weitere Bildzeichen erinnern an die signalartigen Setzungen konstruktiver Malerei. Von Weitem muten Kaesebergs Bilder wie Renaissance-Ideenskizzen an, mit ihrer unweigerlichen Assoziation an Inspiration, Experiment und Entwurf. Nur die Titel schießen da quer: "The school is fucking dead" heißt ein vollgemustertes Blatt. Ein weiteres "Krieg den Palästen". Es ist munteres Bild- und Textsampling, Kaesebergs breites enzyklopädisches Interesse am Alten wie am Neuen, das sich auf und in seinen Bildern niederschlägt.

Bei so viel filigraner Feinarbeit leistet sich Kaeseberg entspannenden Ausgleich mit farbigen Holzskulpturen. Mit ihnen wird das Kleine ins Große gesteigert, die Einkaufstüte oder der Blumentopf ins Überdimensionale übersetzt, bunt angemalt und ihre Formen aus einem Stück Holz kettengesägt. Sieht nicht nur poppig aus, ist es auch und liefert ein künstlerisches Gegengewicht zu all dem Seidenpapier samt seinen Zitaten aus Vergangenheit und Gegenwart. Dem Flüchtigen und Schnelllebigen verleihen sie darüber hinaus sonore Autorität. Aber auch eine rein digitale Gegenwart lässt sich hell leuchtend konservieren, wie die Millionen Jahre alte Fliege im Bernstein.

In LED-bestückten Leuchtkästen präsentiert Kaeseberg Bildnotizen, die er mit Videocam auf Reisen aufnahm. Darüber liegt leicht wellig und schrundig eine dicke Kunstharzschicht, als wär's ein Eiswürfel, in dem sich die Zeit konserviert. "How soon is now?" - ein weiterer Schriftzug in der Kunst von Kaeseberg. Unbeabsichtigt zitiert er auch seine eigene Kunst, sein Einfrieren und Überlagern von Zeit, sein unaufhörliches Ausströmen in alle Wissensfelder, gepaart mit dem Hang, sie mit dem griffigen Jargon aus Pop und modernem Diskurs zu unterlegen.

Kaeseberg: "abstract movement": bis 2.2., jeweils Mo/Mi 17.00-19.00 und nach Vereinbahrung, Ute Claussen Galerie II (S Klein Flottbek), Am Klein Flottbeker Bahnhof 2; www.uteclaussen-galerie.de