Ein Mensch mit Allerweltsnamen, der zur Weltmarkte wird - die Geschichte von Peter Schmidt erscheint heute als Buch.

Hamburg. Eine meiner eindrücklichsten Begegnungen mit Peter Schmidt fand in Bayreuth statt. Er will dem Reporter aus Hamburg am Rand der Festspiele seine Heimat zeigen. Vor dem Operncafé hält ein superflacher Maserati - mit dem geht es später in der fränkischen Schweiz über holprigste Waldwege hinauf zu einem Forsthaus. Dort, und nur dort, versichert Peter Schmidt, gibt es einen speziellen Salat samt Kräutern, die Minuten vor dem Dinner noch im Garten stehen, und ohne den versteht man die Gegend nicht. Der Spaziergang nach dem Essen führt zu einer Wiese. "Die schönste der Welt!" Weil man bis zum Horizont schauen kann, ohne dass der Blick irgendwo durch Hochspannungsleitungen oder Häuser gestört wird. Doch Anschauen reicht nicht: "Sie müssen sich ins Gras werfen, nur dann spüren Sie's richtig." Spricht's und macht's mit Wonne vor ...

Peter Schmidt verblüfft immer wieder. Er ist ein leiser Mann. Einer, der auf vielen Feldern aktiv ist: Design, Bühnenbild, Film, Architektur, Bücher. Er agiert gern im Hintergrund, vernetzt mit Leidenschaft Menschen und Ideen, bringt Wirtschaft und Kultur zusammen, mischt sich ein, auch mit unbequemen Ideen. Es ist ein ungewöhnliches Leben, das 1937 in Bayreuth begann, als Sohn einer Gärtnersfamilie, als eines von vier Geschwistern.

Wie kommt man von dort in die Spitzengruppe des hypernervösen Design-Business, mit Auftraggebern auf allen Kontinenten? "Ich war immer anders", sagt Peter Schmidt. Irgendetwas hat ihn schon während der Schulzeit zum Malen und Zeichnen getrieben, anfangs Aquarelle, "ein bisschen Macke-haft, später mit einer Fantasie wie Klee." Und dann waren da "furchtbare" Karikaturen, eine Auseinandersetzung mit den Menschen seiner Umgebung. Es wird von einem schulisch eingeforderten Aufsatz gemunkelt, an dessen Stelle sich im Heft dann ausschließlich Karikaturen befanden.

Dafür wird der Außenseiter, der im Bayreuth der 50er-Jahre schon mit farbigen Hosen und langen Haaren herumlief, bewundert. "Dabei war ich eher kontaktarm und habe so meine Schüchternheit kompensiert." Unterstützt wurde er von seinen Eltern. "Die haben einfach gemerkt, dass ich eine andere Seele habe, dafür muss ich mich mein ganzes Leben bedanken. Sie haben mein Anderssein ja fast gefeiert."

Wer so auffällt, wird schärfer beurteilt. Peter Schmidt hat an seinen Zeichnungen gearbeitet und merkte bald: Ich kann auf diesem Gebiet mehr als andere. Als er 14 wurde, war die Lust an der Schule erloschen. Der Lehrberuf, Lithograf, blieb nur Zwischenstation. Wichtiger wurden andere Dinge. Er hat sehr viel gelesen, und das mit einem ausgesprochenen Hang zum Exotischen: japanische Literatur, Haikus. Die unerklärliche Faszination des Fremden, und Japan war einfach das Exotischste, was in Bayreuth greifbar war. Hinfahren wird er erst 1980 zum ersten Mal, zu einer Paravent-Ausstellung im National-Museum von Tokio.

Fremd und exotisch auch ein anderes Erwachen, die Homosexualität. "Das war ja damals ein Problem, nicht eine Ausnahme. Ich hatte großes Glück, ich hatte viele zarte Beziehungen, die mich sehr bereichert haben." Er musste nicht in die Kunst fliehen, die Kunst war seine logische Heimat.

Peter Schmidt studiert an der Werkkunstschule in Kassel, ein von der Strenge des Bauhauses geprägtes Institut. Er erlebt dort gleich 1955 die erste Documenta - ein wegweisender künstlerischer Kontrapunkt zur frühen Adenauer-Ära. Nach dem Studium arbeitet er in der Werbung, zuletzt als Creative Director bei einer Hamburger Werbeagentur. Bis er spürt: "Ich will mein Leben selbst bestimmen, ich mach mir selbst genug Druck, ich brauche keinen von anderen." Mit Waltraud Bethge gründet er die Peter Schmidt Studios, die er bis 2006 leitet. Eine Zeit, in der er den Allerweltsnamen Peter Schmidt zu einer Weltmarke macht, die für Weltfirmen arbeitet - Verpackungsdesign, Parfümflakons (Hugo Boss, Joop, Davidoff, Jil Sander), Corporate Design und Logos - für Opernhäuser und Orchester, für die Bundeswehr, für Hamburg.

Daneben zieht es ihn seit den 90er-Jahren immer häufiger in den künstlerischen Bereich: Für John Neumeiers Hamburg Ballett gestaltet er die Bühnenbilder für "Zwischenräume", "Tod in Venedig" und "Parzival" und für Inszenierungen im Ernst-Deutsch-Theater. Und bringt mit Kent Nagano für das Schleswig-Holstein Musik Festival in Kiel die Oper "Madrugada" von Ichiro Nodairo auf die Bühne. Er designt Restaurants in Japan, er ist 2006 an der Ausstellung "Verstummte Stimmen" beteiligt, die auf die Vertreibung jüdischer Sänger von der Staatsoper in der Nazi-Zeit hinweist.

Viele Spielfelder, auf denen er mit der Ruhe eines Zen-Meisters agiert, die aber doch in eine Zerreißprobe führen. "Als Chef von 150 Mitarbeitern kann ich meine Sehnsucht, mich durch Design auszudrücken, nicht mehr erfüllen." Er verkauft das Unternehmen. Gerade mal 14 Tage Pause gönnt er sich danach, bis es weitergeht, klein, überschaubar, als "Atelier Peter Schmidt", das in einem sachlichen klaren Neubau am Mittelweg residiert. Dort arbeitet er mit jungen Designern, am liebsten mittendrin. "Sie müssen maßlose Leidenschaft mitbringen, den ausgeprägten Willen, dass hinter dieser Arbeit, die wir tun, noch etwas anderes steht - sie müssen emotional sein im täglichen Kampf gegen die Banalität. Ich will mehr als den Hunger nach Glamour und Erfolg." Er macht eine Pause. "Das sagt sich so leicht."

Der Peter-Schmidt-Stil setzt mit den Jahren immer stärker auf Reduktion. "Ich versuche, auf die Substanz der Dinge zu kommen, herauszufinden, was man alles nicht braucht, um etwas auszudrücken." Einfachheit, Klarheit - Bedürfnisse, die stark wachsen werden. "Ich spüre", sagt er, "dass die Menschen so überfordert sind, dass sie gar nichts mehr wahrnehmen wollen. Was kann man ihnen da noch anbieten? Wir brauchen klare Signale - bei einem Verkehrsschild, da halten wir eben."

Peter Schmidt lebt in einem Haus in Harvestehude, das in den Wohnräumen vollständig von seiner Faszination für Japan und die Kunst geprägt ist, die dort entstanden ist. Er selbst ist nach längst vergangenen wilden Jahren mit 73 Jahren eher asketisch. Auf Ibiza hatte er sein Traumhaus gebaut in der Hoffnung, dort Ruhe vom internationalen Dauerstress zu finden. Und festgestellt: "Das funktioniert nicht. Das ist viel zu schön, das lenkt zu sehr ab." Er wird es verkaufen. "Der Traum ist zu Ende, ein neuer Traum muss entstehen." Keine Frage, dass es da schon welche gibt. Opern zum Beispiel. "Peleas und Melisande" würde er gern ausstatten, und, noch etwas größer, bei Wagners "Tristan und Isolde" Regie führen.

Ein anderer Traum wird bald realisiert. Das Projekt 2039, das er 2009 im Abendblatt vorgestellt hat - eine multimediale Diagnosestation über den Zustand unserer Welt - wird im Frankfurter Senckenberg Museum realisiert.

Ein Buch über das eigene Lebenswerk ist immer auch Anlass zur Bilanz. Aber Peter Schmidt ist kein Mann von Eitelkeiten, ihm sind andere Dinge wichtig. "Zum Beispiel die Möglichkeit, über meine Arbeit immer wieder neue Menschen kennenzulernen. Ich habe eine geradezu rauschartige Sehnsucht nach Treffen mit Menschen, das ist für mich ein Lebenselixier." Freunde hat er wenige. Und selbst die sieht er nicht ständig. "Und doch greift man manchmal fast gleichzeitig zum Telefon, weil man sich hören muss. Kent Nagano zum Beispiel."

Was ihm wirklich wichtig ist? "Dass ich gefragt bin - und mit meiner leisen Stimme hören mir die Menschen zu. Dass meine Arbeit anerkannt ist." Wenn man sich später mal an ihn erinnert, wäre es schön, sagt er, wenn drei, vier junge Menschen sagen würden: "Er ist für mich Vorbild gewesen." Und wenn sie daraus eine Haltung entwickeln, die ungeheuren Chancen, die wir auf dieser Erde haben, anzupacken.

"Inszenierte Welten. Der Gestalter Peter Schmidt", von Inga Griese, Collection Rolf Heyne, 352 Seiten, 68,- Euro.