Jon Spencer und seine Band Blues Explosion versprechen zwei energetische Konzertstunden im Knust

Knust. Der Blues überkommt den, dem die Frau weggelaufen ist. Der nachts vor Heimweh in die Kissen weint oder dem anderes Unbill widerfahren ist. Der Bluessänger klagt über seine missliche Lage, aber er sieht immer auch eine Hoffnung aufschimmern. Die Lieder, in denen er sein Schicksal besingt, sind mehr wie ein Selbstgespräch, keinesfalls wie ein zorniger Ausbruch. Wenn jemand seine Band Blues Explosion nennt, macht er deutlich, dass es ihm weniger um Innerlichkeit geht, sondern um Expressivität - mit allen möglichen musikalischen Mitteln.

Jon Spencer ist so ein Typ. Angefangen hat der aus New Hampshire stammende Sänger und Gitarrist mit einer Band, die er nach einer Figur aus dem Bond-Film "Goldfinger" Pussy Galore genannt hat. Mit dieser Combo dekonstruierte er die von ihm zutiefst verachtete Rockmusik der 80er-Jahre. Die Pussy-Galore-Nummern dauerten oft nur zwei Minuten, besaßen keine herkömmliche Songstruktur und waren Geräuschminiaturen von Gitarre, Bass und Schlagzeug. Fünf Jahre lang spielte Spencer den Radikalinski, was ihm vor allem Kritikerlob einbrachte. Seine Plattenverkäufe hielten sich dagegen in Grenzen. 1990 war er dann wieder bereit für richtigen Rock 'n' Roll beziehungsweise für den Blues.

In New York traf Jon Spencer auf den Gitarristen Judah Bauer und den Schlagzeuger Russell Simins. Das Trio jammte zusammen und entwickelte Songs, die weniger mit der archaischen, zwölftaktigen Ausdrucksform schwarzer Amerikaner zu tun hatte als damit, Energie freizusetzen. Die Verbindung zum Blues gab es durch die Themen der Songs. Auch Spencer war in seiner bisherigen Karriere nicht gerade von Erfolg und mit Reichtum gesegnet und lebte wie viele Afroamerikaner am unteren Ende der sozialen Skala. Doch schon mit Pussy Galore war er es gewohnt, sich in aller Lautstärke zu äußern, insofern umreißt der Bandname Blues Explosion auch ganz zutreffend den Sound des Trios.

Eine eindeutige stilistische Schublade ist indes für Spencers Band nicht zu finden. Rockabilly, Punkrock, Soul, Noise, Blues, Rock 'n' Roll, ja sogar Hip-Hop finden sich als Elemente in den Songs der Blues Explosion wieder. Auf einen Bass verzichtet die Band, dafür taucht immer wieder mal ein Theremin auf, eine elektronische Ätherwellengeige, die Spencer mit seinen Händen zum Pfeifen bringt. Zehn Alben hat die Band in den vergangenen 20 Jahren herausgebracht, das letzte Studioalbum "Damage" liegt allerdings schon sechs Jahre zurück. Beeinflusst hat die Blues Explosion jüngere Gruppen wie die White Stripes oder die Black Keys.

In diesem Jahr veröffentlichte die Jon Spencer Blues Explosion vor allem älteres Material aus der Anfangszeit der Band. "Year One" heißt eine Zusammenstellung mit Nummern, die 1991 mit dem Nirvana-Produzenten Steve Albini aufgenommen wurden. Raues Zeug, das live im Studio mitgeschnitten und auch hinterher nicht mehr am Mischpult bearbeitet wurde.

In diesen frühen Aufnahmen ist vieles von den Live-Qualitäten der Blues Explosion hörbar. Wenn das Trio eine Bühne betritt, darf man sich auf zwei energetische Stunden gefasst machen, in denen Russell Simins sein Schlagzeug bearbeitet und Bauer und Spencer ein schräges Gitarren-Riff nach dem anderen aus den Lautsprechern jagen. Dann ist der Bandleader in seinem Element, kann sich die Seele aus dem Leib schreien und den Blues wie eine Raserei zelebrieren.

The Jon Spencer Blues Explosion Sa 4.12., 20.00, Knust (S Feldstraße), Neuer Kamp 30, Karten 21,15; www.thejonspencerbluesexplosion.com