... und ich sage dir, wer du bist. Die kleinen Anstecker machen auch in Hamburg jede Jacke zur politischen Werbefläche.

Hamburg. Ein Palästinenserschal um den Hals, ein "Free Tibet"-Aufkleber auf dem Rucksack oder ein Ché-Guevera-Kopf auf dem T-Shirt wirken heute so wie immer schon: als Ausweise einer Haltung. Dass bei solcherlei ikonischer oder sloganhafter Aufmachung immer auch modische Aspekte eine Rolle spielen, ist offensichtlich.

Durchaus aber kann man behaupten, dass die Evergreens unter sendungsbewussten Zeitgenossen derzeit nur eine müde Angelegenheit sind im Vergleich zu diesen schimmernden kleinen Dingern, die als Accessoire gerade so schwer in Mode sind wie fast noch nie: Wir sprechen von den Buttons. Und blicken ein wenig unsicher auf die alte, beige Übergangsjacke, an ihr steckt ein Union-Jack-Button. Reicht nicht als Aussage, irgendwie. Zurzeit jedenfalls nicht.

Denn darum geht es im Jahr 2010: um den Meinungsmacher von der Straße, der seine Einstellung zu Markte trägt. Es wird sich nicht versteckt, es zählt das Sein, nicht der Schein. Wichtig ist, was gesellschaftlich relevant, und nicht, was popkulturell angesagt ist. Wer sich die Zustände in seiner Stadt vorknöpft, heftet sich einen Button ans Revers - und macht sein Sakko zur politischen Werbefläche. Ob in Stuttgart oder in Hamburg. Wer derzeit die allgemeine Rede von der gutbürgerlichen Auflehnung gegen Projekte und Vorhaben "von denen da oben" führt, hat immer den Button im Blick. "Ich bin das Schauspielhaus", steht da drauf, oder: "Altonaer Museum bleibt".

Die neue Lust am Engagement also, sie ist bis zur Hirnerweichung oft beschrieben und beschworen worden in diesem ereignisreichen Jahr, das in Hamburg vor allem durch eine, nun ja, faszinierende Kulturpolitik geprägt ist.

Bleiben wird irgendwann mal, wenn Kultursenatoren entsorgt, Kunstorte geschlossen und Elbphilharmonien eröffnet worden sind: der Button.

Wir wollen uns nun nicht zu der Aussage versteigen, dass Schauspielhaus-Knöpfe dereinst so verbreitet sein werden wie die "Atomkraft? Nein danke"-Buttons, die das ganze Gestecke 1975 begründet haben, 30 Millionen gebe es davon, behaupten Button-Zähler.

Was bewegte Zeiten eint, ist der politische Bezug. Wer heute mit der ausgestreckten Rolling-Stones-Zunge durch die Gegend läuft, sagt entweder gar nichts oder zu viel. Wie das Internet oder das Handy ist der Button ein Massenmedium, er ist als Mitteilung nur viel angenehmer. Er ist ein kleiner, unaufdringlicher Kommentar des Zeitgeists, durchmisst er doch höchstens 5,5 Zentimeter (Nazis-stoppen-Button). Wer abseits ästhetischer Liebhabereien im Button eine Begleiterscheinung (wieder)erwachten politischen Bewusstseins sieht, der zählt sicherlich zu denen, die unbedingt mehr sehen wollen als andere. Der hat aber durchaus damit recht, dass der Kampagnen-Button, der beispielsweise im amerikanischen Wahlkampf gang und gäbe ist, zurzeit sehr schick ist. Wer in Hamburg seine Solidarität mit bedrohten Kultureinrichtungen zeigt, verortet sich selbst in einem Kreis Gleichgesinnter, der Anstecker wird so zum Erkennungszeichen im semiotischen Durcheinander der dauersendenden Moderne.

Aber, liebe Ansteckmenschen: Ihr seid, trotz sympathischer Zurückgenommenheit der Nachrichten, die ihr unters Volk bringen wollt, doch immer noch herausragende Teilnehmer der frei flottierenden Kommunikation. Wer einen Button trägt, wird auch von denen erkannt, die spottsüchtig Klischees jagen: Zeig mir deinen Button, und ich sag dir, wer du bist.